1722 - Flucht in die Finsternis
dem Fuß auf. »Da ist doch was passiert. Das kannst du mir nicht erzählen. Irgendetwas hast du doch, Jean.«
»Ja, das ist richtig.«
»Und was?«
Er drehte den Kopf zur Seite. »Ich habe dich nicht damit hineinziehen wollen, deshalb habe ich auch nichts gesagt, aber es kann sein, dass ich die Anruferin kenne.«
»Ach …«
Er nickte. »Und du kennst sie auch.« Dann fügte er den Namen hinzu und erntete zunächst ein Kopfschütteln.
»Sie?«, flüsterte Suzie. »Olivia Peck, die hier so etwas wie ein Sozial-Engel sein wollte?«
»Du hast dich nicht geirrt. Sie ist in diesen grauenhaften Kreislauf hineingeraten oder hat ihn selbst forciert.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Warum hat sie sich so verändert?« Suzie wollte jetzt alles genau wissen. »Was ist mit ihr los? Kannst du mir da keine Erklärung geben?«
Jean nickte müde. Seine Antwort klang ebenso. »Doch, das kann ich. Sie ist kein normaler Mensch mehr und hat sich verändert. Das muss man hinnehmen. Es ist eine Tatsache, auch wenn man sie als unglaublich ansieht, aber man kommt nicht daran vorbei.«
»Dann sag doch, wer sie wirklich ist.«
Jean blickte seiner Frau skeptisch ins Gesicht, bevor er leise fragte: »Glaubst du an Vampire?«
Suzie trat zurück und schüttelte den Kopf. »Du weißt selbst, dass ich von Vampiren und auch von dem ganzen Voodoo-Zauber nichts halte.«
»Ja, schon, aber …«
»Hör auf damit.«
»Aber sie ist ein Vampir, verdammt. Eine weibliche Blutsaugerin. Da müssen wir uns nichts vormachen.«
Da seine Frau schwieg, berichtete Jean Katanga, was ihm widerfahren war, zusammen mit den beiden Beamten von Scotland Yard.
Suzie konnte nicht mehr reden. Die Überraschung hatte ihr den Mund verschlossen. Nur in ihren Blicken spiegelte sich das wider, was sie in diesen Momenten empfand.
Es war einfach nur das Gefühl der Furcht.
Ihr Mann sagte auch nichts. Er schaute zu Boden und hob einige Male die Schultern. Erst als Suzie tief durchatmete, übernahm er wieder das Wort.
»Wir müssen uns damit abfinden, Suzie, dass etwas passiert ist, was eigentlich gar nicht passieren darf. Eine unheilvolle Macht hat die Kontrolle übernommen. Da ist etwas freigesetzt worden, was es schon immer gegeben hat, das bisher aber im Verborgenen lauerte. Der Mythos oder der böse Zauber Vampir.«
»Ja …«
Die Antwort hatte nicht überzeugend geklungen, das wusste Jean. Aber er hätte auch nicht gewusst, was er sonst hätte sagen sollen. Es war besser, wenn er bei der Wahrheit blieb.
Und er musste sich selbst gegenüber zugeben, dass ihn die Ereignisse überrascht hatten. Mit diesem Ausbruch von radikaler Gewalt hatte er nicht gerechnet, aber er wusste auch, dass dies erst der Anfang war. Zwar zählte er sich nicht zu den Vampirfachleuten, doch er ging schon davon aus, dass diese Wesen ihre eigenen Pläne hatten und die auch durchziehen würden, und das ohne Rücksicht auf Verluste.
Und ausgerechnet ihn hatte die andere Seite aufs Korn genommen, nicht die Yard-Leute. Der Gedanke daran hinterließ bei ihm schon ein Kribbeln, und er stöhnte leise auf, was seine Frau zu einer Frage veranlasste.
»Was – was – sollen wir denn jetzt tun? Was können wir tun? Ich fühle mich bedroht.«
»Ja, das weiß ich«, gab er müde zu.
»Hast du denn einen Vorschlag? Du gehst doch auch davon aus, dass dieser Anruf kein Scherz war?«
»Stimmt.«
»Und was können wir dagegen tun?«
»Ich glaube, wir nichts, Suzie.«
Ihr Mund blieb vor Staunen offen. Sie wollte noch etwas sagen, doch erneut meldete sich das Telefon. Diesmal hob Jean Katanga ab.
Er kam nicht dazu, seinen Namen zu nennen, die Anruferin war schneller. »He, da bist du ja …«
Er schluckte. Schweiß brach ihm aus. Ihm wurde heiß und kalt zugleich.
»Was willst du?«
»Warum fragst du das? Ich will dich. Ja, dich und auch deine Frau. Euer Blut wird mir besonders gut munden. Ich habe das Gefühl, es rauschen zu hören. Und denk immer daran, dass ich nicht allein bin. Es gibt Helfer in meiner Nähe, sodass ich meine Augen überall habe. Vergiss das nicht …«
Das war alles, was die Anruferin sagte. Sie legte auf und ließ einen ratlosen und völlig verängstigten Mann zurück, den Suzie fragend anschaute.
»Sie war es«, flüsterte er.
»Olivia Peck?«
»Ja. Jetzt haben wir den Beweis. Zuerst hat sie dich und nun mich angerufen.«
»Hat sie dir gesagt, was sie von dir will?«
»Nicht nur von mir, Suzie, auch du bist nicht außen vor. Und wenn
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