1727 - Der Schrecken von Dartmoor
den Kopflosen weiter, der seine Aufgabe hinter sich gebracht hatte.
Er schlug seine Hacken in das Fell des Tieres und ritt ohne Kopf die Straße hinab, wobei sich das Aufschlagen der Pferdefüße anhörte wie ein dumpfer Trommelklang, der allmählich verebbte…
***
Jason Flint wusste nicht, wie lange er auf dem Fleck und hinter dem Baum gestanden hatte, bis er in der Lage war, sich wieder zu bewegen und auch denken zu können.
Es war eine Tatsache, an der es nichts zu rütteln gab. Was er gesehen hatte, war tatsächlich geschehen, und er musste akzeptieren, dass es den Schrecken von Dartmoor wirklich gab. Das war keine Geschichte mehr, keine Legende. Er war vorhanden, und er würde, so glaubte er, seinen Terror wieder über die Menschen bringen. Einer wie er musste mit dem Teufel im Bunde stehen.
Eigentlich hatte Jason Flint nie so recht an den Teufel geglaubt, doch das hatte sich jetzt geändert. Für ihn gab es den Teufel, auch wenn er ihn nicht mit dem Reiter auf eine Stufe stellte. Aber nur der Teufel selbst konnte ihn geschickt haben. Eine andere Alternative gab es für ihn nicht.
Erst jetzt wagte es Jason Flint, sich wieder zu bewegen. Langsam drehte er sich um und schaute die Straße hinab. Genau in die Richtung, in die der Kopflose geritten war.
Zu sehen war nichts mehr von ihm. Die Dunkelheit hatte ihn längst verschluckt, und auch der Hufschlag war nicht mehr zu hören. Die übliche nächtliche Stille war zurückgekehrt.
Der pensionierte Park-Ranger wusste, dass er nicht bis zum Hellwerden hinter dem Baum stehen bleiben konnte. Er musste etwas unternehmen, und da gab es für ihn nur eine Möglichkeit, auch wenn diese ihm nicht behagte.
Er würde zu dem Schädel gehen müssen, um ihn von seinem Platz zu entfernen.
Nie zuvor in seinem Leben war ihm ein Gang so schwergefallen, obwohl es nur ein paar Schritte waren. Seine Knie zitterten. Schweiß schimmerte auf seiner Stirn und die Hände hatte er zu Fäusten geballt. Dann hatte er das Ziel erreicht. Mit einem Tritt hätte er den Kopf wegkicken können, doch das traute er sich nicht.
Er bückte sich. Eigentlich hatte er es nicht gewollt. Was er tat, geschah automatisch, und jetzt sah er, dass der Kopf so lag, dass er in das Gesicht schauen konnte.
Das Gesicht einer Legende!
»Das ist Wahnsinn«, flüsterte Flint und war plötzlich von einer tiefen Spannung erfüllt. Er fühlte sich wie ein Entdecker, der vor zweihundert und mehr Jahren in die Welt gezogen war, um unbekannte Kontinente zu erforschen.
Nun starrte er in das Gesicht.
***
Es war trotz allem hell genug, um die Züge zu erkennen.
Eine dicke Haut. Zerfurcht und eingekerbt. Augen, die sich nach vorn geschoben hatten, als wollten sie aus den Höhlen treten. Eine wulstige Nase und ein Mund, der schief saß, wobei er halb geöffnet war, sodass ihm ein fauliger Geruch entströmte.
Er sah auch die hohe Stirn und die Haare, die auf dem Kopf wuchsen. Wobei er nicht davon ausging, dass es normales Haar war. Was sich da ausbreitete, sah eher aus wie Spinnweben, die feucht und angeklatscht auf dem Schädel lagen.
Es gab Lücken zwischen den dünnen Haarsträhnen, und durch sie schimmerte eine gelbliche Kopfhaut, die allerdings auch angeschmutzt war.
Jason Flint hatte sich an den Anblick gewöhnt. Der erste Schock war vorbei, und jetzt dachte er darüber nach, was mit dem Kopf geschehen sollte.
Vor der Tür liegen lassen konnte er ihn nicht. In den Garten gehen, ein Loch graben und ihn dort verscharren war auch nicht das Wahre, obwohl es für ihn die beste Alternative blieb.
Und er dachte darüber nach, warum der Schädel gerade vor seine Haustür geschleudert worden war. Zu einem Ergebnis kam er nicht, doch dann schreckte ihn das leise Lachen auf, das fast ein Kichern war.
Er zuckte zurück, denn es gab in seiner Umgebung nur einen, der gelacht haben konnte.
Das war der Kopf.
Das Lachen war verstummt. Dafür hörte er ein Flüstern und verstand sogar die Worte.
»Na, habe ich dich erschreckt?«
Flint war nicht fähig, eine Antwort zu geben. Er musste zunächst damit fertig werden, dass jemand mit ihm gesprochen hatte, der nur aus einem Kopf bestand.
Das war für ihn nicht nachvollziehbar. Das konnte einfach nicht wahr sein. Unmöglich – und doch waren die Worte aus dem halb geöffneten Mund gedrungen.
»Wie ist das möglich? Wie kannst du reden? So etwas geht nicht. Du bist tot, du bist nicht wirklich…«
»Ich bin wieder da!«
»Und?«
»Ich werde weitermachen. Man hat mich
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