1730 - Das Schlangengrab
Korab war gekommen, um die Dinge hier zu richten. Und ich wollte wissen, wie er das tun würde. Danach fragte ich ihn, und erhielt auch eine Antwort.
»Du bist außen vor, John. Ich denke nicht, dass dein Kreuz ihr etwas anhaben kann.«
»Das stimmt. Aber ich könnte zum Beispiel auf sie schießen, denn zu treffen ist sie.«
»Lass es sein!«
»Warum?«
»Weil ich mich ihrer annehmen werde.«
»Und wie willst du das schaffen?«
»Hast du meine Macht vergessen?«
Nein, das hatte ich nicht. Mandra Korab war wirklich etwas Besonderes, der es allein durch seinen Willen schaffte, Menschen und auch Tiere unter seine Knute zu zwingen. Er war dazu fähig, ihnen seinen Willen aufzuzwingen. Das hatte ich schon öfter bewundern können, und genau diese Fähigkeit wollte er hier einsetzen.
Er ließ die Schlange kommen.
Er starrte sie an. Er konzentrierte sich einzig und allein auf dieses Tier. Und ich erlebte den Beginn eines Zweikampfes zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Wesen…
***
Wer gewann?
Es konnte nur einen Sieger geben, und es stand nicht fest, dass es Mandra Korab sein würde. Diese Schlange war kein normales Tier, der er den Willen nehmen konnte. Sie war der Göttin Kali zugetan, sie war sogar ein Teil von ihr, denn sie hatte sie damals in ihrer Nähe gehabt.
Noch bewegte sie sich an der Decke entlang. Wenn sie etwas erreichen wollte, musste sich das ändern, und ich wartete darauf, dass sie den Halt dort verlor.
Mandra schaute zu ihr hoch. Ebenso wie der Professor, der allerdings eine demütige Haltung eingenommen hatte, damit die Schlange nur nicht auf falsche Gedanken kam.
Mandra flüsterte etwas. Ich verstand die Worte nicht und veränderte meine Haltung. Ich stellte mich so hin, dass ich in sein Gesicht schauen konnte, denn ich wollte den Blick seiner Augen nicht verpassen.
Es war wie früher. Seine Augen hatten sich verändert. In den Pupillen war so etwas wie eine mächtige Kraft zu lesen. Jedenfalls fiel mir kein anderer Vergleich ein. Er wollte, dass die Schlange ihm gehorchte. Er wollte Macht über die Göttin Kali.
Es war schwer, unsagbar schwer. Ich wusste nicht, wie Mandra gegen die Schlange ankämpfte und welche Gedanken er ihr schickte, aber er war nicht in der Lage, sie zu beeinflussen. Sie hielt sich weiterhin dicht unter der Decke, als hätte man sie dort festgeklebt.
Und Mandra strengte sich noch mehr an. Ich hörte ihn nicht mehr atmen. Was jetzt über seine Lippen drang, war ein heftiges Keuchen, ein Zeichen, wie sehr ihn diese Beschwörung anstrengte.
Und dann war der Augenblick gekommen, in dem die Schlange ihren Platz an der Decke verließ. Sie löste sich mit ihrem vorderen Körper und glitt in die Tiefe.
Sie hatte jetzt keinen Halt mehr, und eigentlich hätte sie fallen müssen, aber die Kraft der Göttin Kali sorgte dafür, dass sie der Schwerkraft widerstand und in engen Schleifen in die Tiefe glitt und damit auf Mandras Gesicht zu.
Ich war bisher nur Zuschauer gewesen, und das blieb ich auch weiterhin, doch zum ersten Mal hatte ich die Befürchtung, dass mein indischer Freund nicht stark genug war, sich gegen die mächtigen Kräfte der uralten Göttin zu wehren.
Aber er wollte es. Er blieb in seiner Haltung. Auch der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich nicht. Er wollte die Schlange auf diese Art und Weise besiegen.
Sie näherte sich ihm. Ich sah ihr Maul, das aufgeklappt war. Eine schwarze gespaltene Zunge schnellte hervor und zog sich wieder zurück, und das mit immer schnelleren Bewegungen. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich auf Mandras Blick konzentrierte und es zu einem Kampf auf geistiger Ebene kam.
Auch das goldene Gesicht des Professors war auf Mandra gerichtet. Er schien darauf zu warten, dass Mandra zusammenbrach und die Schlange ihn zu seinem Diener machen konnte.
Ich überlegte, was ich tun konnte. Mit einer Kugel die Schlange treffen? Ich griff bereits zur Beretta und zog sie hervor. Zunächst aber wollte ich versuchen, Mandra aus seinem Zustand hervorzuholen.
»Mandra, hörst du mich?«
Der Inder reagierte nicht.
»Bitte, du musst etwas tun. Wir müssen was tun, verstehst du?«
Ich erhielt eine Antwort. Nur nicht von ihm, sondern von Professor Sarweti. »Lass ihn. Lass sie. Sie macht ihn zu ihrem Diener. Die Kraft der alten Göttin ist nicht zu besiegen.«
Das mochte er denken, aber es war nicht in meinem Sinn. Inzwischen glaubte ich, dass Mandra Korab es nicht mehr schaffen konnte und er seinen Meister gefunden hatte. Kein
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