1730 - Das Schlangengrab
große Halle mit einer hohen Decke. Hier konnte man schon einiges ausstellen. Der Fußboden bestand aus einer rötlichen Steinfläche, und ich musste wieder daran denken, von welch einem besonderen Ausstellungsstück der Reporter gesprochen hatte.
Ein Schlangengrab!
Im Original hatte er es nicht gesehen, und auch ich hielt vergeblich nach ihm Ausschau. Mein Instinkt sagte mir, dass ich das Ziel schon erreicht hatte. Möglicherweise befand sich das Schlangengrab noch in einer der Kisten. Bill hatte ja nur ein Foto gesehen, das ihm von einem Professor Sarweti gezeigt worden war. Welche Rolle dieser in dem Fall spielte, wusste ich noch nicht.
Ich bewegte mich auf die Mitte des Raumes zu, wobei ich immer wieder den unterschiedlich hohen Kisten auswich. Hin und wieder ließ ich meine Blicke auch zur Seite gleiten oder schwenkte den Strahl der Lampe dorthin.
Und dann hörte ich eine Stimme, die ich kannte, die mir allerdings jetzt eine Gänsehaut über den Rücken jagte, weil ich sie so lange nicht mehr gehört hatte.
»Suchst du nach dem Schlangengrab, John?«
»Sicher.«
»Das wusste ich, und deshalb habe ich dich auch erwartet. Endlich sehen wir uns wieder.«
Die Stimme hatte mich von der linken Seite her angesprochen. Ich drehte mich dorthin und meine Lampe machte die Bewegung zwangsläufig mit. Und so erfasste der Strahl einen Mann, der langsam auf mich zukam und seine Lippen zu einem breiten Lächeln verzogen hatte.
Es war Mandra Korab!
***
Verändert hatte er sich nicht, und dabei lag unsere letzte Begegnung schon lange zurück.
Er war noch immer der Mann mit der etwas dunkleren Haut, zu der im Gegensatz der helle Turban stand, der kunstvoll geschlungen auf seinem Kopf saß. Mandra trug ihn nur zu besonderen Gelegenheiten, das wusste ich genau.
Das markante Gesicht. Die durchtrainierte Gestalt. Die strahlenden Augen, bei deren Blicken nicht wenige Frauen weiche Knie bekamen. Der Inder war ein Mann wie aus dem Bilderbuch. Von seiner Faszination her war er durchaus mit Raniel, dem Gerechten, zu vergleichen.
Zwischen uns fiel kein Wort. Die Zeit dehnte sich für mich. Mir schossen viele Gedanken durch den Kopf, die auch so etwas wie Erinnerungen waren, aber ich sagte nichts. Meine Kehle saß plötzlich zu, und dann lagen wir uns in den Armen.
Es war eine Begrüßung unter Freunden, und das, obwohl wir uns so lange nicht gesehen hatten. Mir kam es vor, als hätte es diese Zeit gar nicht gegeben.
Zu sagen brauchten wir nichts. Wir verstanden uns auch ohne Worte, und irgendwann wie auf ein geheimes Zeichen hin stießen wir uns gegenseitig an, schauten uns in die Augen und nickten.
Ich fand zuerst meine Sprache wieder. »Ja, Mandra, es ist lang her. Verdammt lang…«
»Du sagst es, John.«
»Und wie ist es dir ergangen?«
Er gab keine direkte Antwort auf meine Frage. »Was soll ich sagen? Ich habe dich zumindest nicht aus den Augen verloren, ich war eigentlich immer darüber informiert, was du getan hast.«
»Dann bin ich zufrieden. Aber das war keine Antwort auf meine Frage.«
»Ich weiß.« Er hob die Schultern und ließ die Hände dann in den Taschen seiner dunklen Hose verschwinden. »Ich war oder bin viel unterwegs. Du kannst dich daran erinnern, dass ich mich für die Hilfswerke den UN engagiert habe.«
»Das ist wahr.«
»Und dem bin ich treu geblieben. Ich bin oft in der Welt unterwegs, ich halte die Augen weit offen, und ich werde dorthin geschickt, wo es brennt und das Unrecht übergroße Ausmaße annimmt.«
»Da hast du sicherlich genug zu tun.«
»Das kannst du laut sagen.«
»Und jetzt bist du hier«, stellte ich fest, »was auch nicht natürlich ist.«
»Gut gefolgert.«
»Und was ist der Grund?«
Er legte die Stirn in Falten. »Kannst du dir das nicht denken? Du arbeitest an dem Fall.«
»Es geht um die Männer mit den goldenen Gesichtern.«
»Ja, auch. Sie sind die Helfer. In Wirklichkeit geht es um viel mehr. Um das Schlangengrab, das goldene Grab, das bald hier ausgestellt werden soll.«
»Was dir aber nicht passt.«
Mandra sah mich mit einem sehr ernsten Blick an. »So ist es. Es kann mir nicht passen, weil es gefährlich ist. Das Bild besteht aus einem Paar. Es ist ein König und eine Königin, und beide werden von einer Schlange bewacht.«
»Wobei alles golden ist.«
»Stimmt.«
»Dir kommt es auf die Schlange an?«
»Ja, denn sie hat einst der Göttin Kali gedient. Wie du weißt, war sie nicht eben eine nette Person. Wir wollen nicht näher auf sie eingehen,
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