1730 - Das Schlangengrab
sondern auf dem Gesicht eines Menschen.
Da wusste Mandra Korab, dass er seinen Helfer Sahib gefunden hatte, was in ihm jedoch keine Freude auslöste, denn Sahib lag dort wie ein Toter…
***
Mandra Korab stand gebückt am Rand der Höhle und schaute hinein.
Ja, es war Sahib. Das sah er sehr deutlich. Auch wenn das Gesicht des Mannes zu einer Goldmaske geworden war. Und der Inder wusste auch, dass dies nicht vorgesehen war. So hatte sich Sahib ihm hier sicher nicht zeigen wollen. Hier war etwas schiefgelaufen.
Es stellte sich die Frage, ob der Mann noch lebte oder ob er umgebracht worden war. Durch die Goldschicht verriet das Gesicht rein gar nichts. Kein Zucken der Wangen oder des Halses. Das Gesicht des Menschen war zu einer Maske geworden.
Und doch funkte plötzlich Hoffnung in Mandra hoch, denn als er noch mal in die Augen leuchtete, sah er das Zucken und zugleich hörte er ein Stöhnen.
Mandra Korab war wie elektrisiert. Sahib lebte. Damit hatte er nicht rechnen können. Was immer mit ihm passiert war, er würde es bald wissen, und mit halblauter Stimme sprach er ihn an, wobei er sich noch weiter nach vorn bückte.
»Sahib?«
Die Reaktion erfolgte prompt, wenn auch langsam, denn Sahib hob mit einer schwachen Bewegung seinen rechten Arm, um Mandra zu begrüßen und ihm zu zeigen, dass er noch am Leben war.
»Gut, bleib so liegen. Ich hole dich aus der Grube raus.«
»Ja, ich warte…«
Mandra holte ein Seil aus seinem Rucksack. Er hatte es während der Kletterei nicht gebraucht. Jetzt konnte es ihm gute Dienste leisten. Vor allen Dingen war es mit Haken versehen, und einen konnte sich Sahib in seinen Gürtel klemmen.
Das sagte ihm der Inder und Sahib erklärte, dass er es versuchen würde.
In den folgenden zwei Minuten waren beide Männer mit der Rettung beschäftigt.
Der Haken saß fest, und Sahib war der Meinung, dass Mandra ihn jetzt hochziehen könnte.
Er tat es.
Es war nicht einfach. Mandra Korab musste all seine Kraft einsetzen, und auch Sahib half mit, indem er sich an der Innenwand abstützte. Dann konnte Mandra ihn endlich über den Rand rollen. Er war froh, als er das schwere Atmen seines Verbündeten hörte.
»Wie fühlst du dich?«
»Schwach, sehr schwach.«
»Das glaube ich dir. Aber wir packen es gemeinsam.« Mandra löste den Haken. Noch lag Sahib auf dem Boden, aber mit Mandras Hilfe gelangte er in eine Sitzposition und blieb so hocken.
Mandra Korab saß ihm gegenüber und schaute ihn an. Sahibs Kopf war über die Hälfte normal, nur sein Gesicht zeigte einen goldenen Glanz, und den hatte er sich bestimmt nicht selbst beigebracht. Auf seine Aussagen war Mandra gespannt. Zuvor holte er eine Feldflasche mit Wasser aus dem Rucksack.
»So, trink erst mal.«
Sahib schaute ihn an. Durch das Gold waren sämtliche Gefühle, die sich im Gesicht gezeigt hätten, unterdrückt. Der Informant wirkte auf Mandra wie ein Fremdkörper.
Die Hände zitterten, als Sahib die Feldflasche an seine Lippen setzte. Er trank wie jemand, der kurz vor dem Verdursten steht. Fast leer reichte er die Flasche wieder zurück. Einige Tropfen rannen noch über die goldene Schicht am Kinn entlang.
»Es brennt so.«
Mandra nickte. »Das kann ich verstehen.« Er verstaute die Flasche wieder im Rucksack. Dabei fragte er: »Wie ist es passiert?«
In Sahibs Augen zeigte sich Angst. »Sie sind frei. Nicht nur er, auch sie, die Schlange.«
Der Inder nickte. Er hätte die Schlange hier sehen müssen, wäre es anders gewesen. Aber er wollte etwas Bestimmtes wissen. »Hast du diejenigen gesehen, die sie geholt haben?«
»Habe ich.«
»Und?«
Sahib schüttelte den Kopf. »Es ging alles sehr schnell. Sie waren plötzlich hier. Ich hatte mich noch versteckt, aber sie haben mich entdeckt und mich dann gezeichnet. Ich bin zu einem Opfer des Schlangengrabs geworden. Der goldene Arm der Göttin hat mich berührt.«
»Mit der Göttin meinst du Kali?«
»Ja, wen sonst? Ihr wurde hier doch alles geweiht. Sie hat noch immer ihre Anhänger, und das wird auch so bleiben. Die alten Zeiten kehren immer wieder, und Kalis Kraft ist nicht schwächer geworden.«
Da konnte Mandra Korab nur zustimmen. Er wusste selbst, wie grausam die Göttin war. Dass es Menschen gab, die ihr immer gedient hatten und ihr auch jetzt noch dienten. Sie war nicht tot und sie war vor allen Dingen nicht vergessen.
»Was ist genau mit dir passiert?«
»Ich habe die Kraft der goldenen Schlange gespürt. Ich war ihr Opfer. Sie gab mir das Gold, und ich
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