1731 - Die Beaumortels
scharten sich in Trauben um einzelne Personen, die sie mit leidenschaftlich vorgetragenen Geschichten in den Bann schlugen.
Joseph wußte auf Anhieb, welchen Datums diese Szenen waren. Er brauchte die Gesichter der Erzähler nicht erst in Großaufnahme zu sehen.
Die kleine Karla kam groß ins Bild, wie sie ihren Zuhörern in blumigen Worten und bekräftigendem Gestikulieren ihre Erlebnisse auf Opal schilderte. Alex, in der Menge seiner Zuhörer eingekeilt, versuchte sich gequält des Ansturms zu erwehren und sich Luft zu machen. Zach ließ die Beine vom Musiker-Podium baumeln und erholte sich bei einem Schluck Jolie Blonde...
Als Hamiller seinen fatalen Irrtum erkannte, blendete er sofort andere, unverfänglichere Szenen ein. Joseph atmete erleichtert auf. Es war nur zu hoffen, daß den Beaumortels diese Unstimmigkeit nicht aufgefallen war...
10.
Karlas Traum war verblichen, sie konnte ihn nicht mehr zurückholen.
Sie konnte nicht mehr in Gedanken in die Vergangenheit eines anderen Lebens reisen. In ihr waren nur noch schwache Ahnungen von dem, was einmal gewesen war. Diese waren so fern und verschwommen, daß sie nichts greifen und nichts in erkennbare Bilder formen konnte.
Alles war zu einem Alptraum geworden.
Aus ihr floß die Kraft in einem kleinen, aber stetigen Rinnsal. Sie mußte all ihre Energien aufwenden, um sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können. Sie mußte wachsam bleiben und den letzten verbliebenen Finger der Rechten auf dem Impulsgeber behalten. Sie hatte die Zeitzünder der Minen gestoppt, solange sie dazu noch fähig war. Sie sollten nicht unbeabsichtigt explodieren. Karla wollte Einfluß darauf haben. Ein Fingerdruck würde genügen, um sie alle hochgehen zu lassen. Dabei behielt sie auch die Szenen im Auge, die vor Hamillers Schaltwand abliefen.
Ihr wurde davon ganz schwindelig. Manchmal verschwammen die Bilder einfach zu Nebeln aus formlosen Farbklecksen. Vermutlich hätte sie mit zwei Augen eine bessere Sichtweise gehabt.
Karlas Geist war noch klar genug, um sie erkennen zu lassen, daß es mit ihr zu Ende ging. Sie konnte kein echtes Bedauern deswegen empfinden. Sie mußte sich nur immer vorsagen, daß zuvor noch das zu tun war, was getan werden mußte: die BASIS und alles Leben darauf zu vernichten.
Sie fragte sich nicht, warum sie das nicht auch sofort tun konnte. Sie war zu schwach dazu. Es kostete sie Mühe genug, sich auf diesen einen Komplex zu konzentrieren. Niemand durfte die BASIS verlassen. Beim geringsten Fluchtversuch würde Karla die verbliebenen Sprengsätze zünden.
Die Hamiller-Tube würde als erstes dran glauben müssen. Denn eines war sicher: Hamiller würde sie, Karla, nicht überleben. Aber solange die Bilder vor ihr abliefen und ihr garantierten, daß das Bordleben weiterging, so lange bestand kein Handlungsbedarf.
Die Bilder erinnerten sie auf einmal wieder an ihr früheres Leben. Aber den Traum konnte sie damit nicht mehr einfangen. Sie erinnerte sich nicht einmal mehr an Namen. Klack? Lucka? Sejoph?
Die Hamiller-Tube redete dauernd auf sie ein. Appellierte an ihr Gewissen und an ihre Menschlichkeit. Als ob sie solche Werte noch besäße. Sie hatte andere, war erhöht worden. Zu Karla hoch zwei.
Hamiller versprach ihnen Behandlung und Heilung. Behandlung gegen was? Heilung wovon? Das sagte die Hamiller-Tube nicht. Alles nur Gewäsch.
Aber das Hintergrundgemurmel störte sie nicht. Ihr eines Auge auf die verwirrenden Szenen gerichtet, ließ sie sich in eine Art Trance wiegen.
Dadurch wurden ihre Sinne geschärft. Sie konnte auf einmal wieder klarer denken. Und die Szenen vermittelten ihr ganz bestimmte Assoziationen.
„So hast du einmal ausgesehen", wollte sie sagen. Aber es kamen nur unverständliche Laute aus ihrem Mund. Die Gedanken waren aber wenigstens klar formuliert. „Du brauchst nicht traurig über Verlorenes zu sein, Karla. Auch dieses Leben muß irgendeine Art von Sinn haben."
Trotzdem stieg Wehmut in ihr auf, als sie andere aus ihrer Gruppe vorgeführt bekam. Sarah Hanna, Jörge Pehan, Zach, Alex - der tot und vergangen war. Warum quälte sie die Hamiller-Tube mit diesen Bildern?
Warum mußte sie das alles noch einmal vor sich sehen, wie sie nach der Rückkehr aus dem Arresum vor Lebensenergie förmlich gesprüht hatten...
Das waren Bilder von damals! Keine Live-Aufnahmen vom momentanen Bordleben. Hamiller versuchte sie zu hintergehen. Karla bäumte sich mit einem schrillen Wutschrei auf. Das brachte auch Leben in die
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