1736 - Planet der Corrax
jetzt selbst schnappen wollten.
Kaghoul sah es erleichtert, aber es war auch das einzige, was ihm an seiner Lage gefallen konnte.
Der Anführer, mindestens einen Kopf größer als er, in den Schultern fast doppelt so breit, brüllte wieder und stürzte ohne Vorwarnung nach vorne. Kaghoul hatte das einzige getan, was er hatte tun können, nämlich schnell noch drei Steine aufgehoben, und schleuderte sie seinem übermächtigen Gegner entgegen.
Aber sie waren zu leicht, um diesen fällen zu können, selbst wenn er besser getroffen hätte.
Doch jetzt zitterte sein Arm viel zu sehr. Ein einziges Geschoß traf den Wilden über dem linken Auge, ohne ihn aufzuhalten. Im Gegenteil, er wurde nur noch rasender und holte schon weit mit dem Schaftmesser aus.
Er wuchs vor Kaghoul wie eine Wand in die Höhe, drehte sich in der Hüfte, brüllte sein gräßliches Brüllen und schlug zu.
Der Truppführer ließ sich fallen. Die breite, lange Klinge sauste knapp über ihm durch die Luft. Vom eigenen Schwung mitgerissen, drehte sich der Fleischfresser einmal um sich selbst. Kaghoul war aufgesprungen und rannte jetzt. Daß er überall, in welcher Richtung auch immer, einem Wilden in die Arme laufen würde, daran dachte er gar nicht. Er konnte überhaupt keinen Gedanken mehr fassen. Nur der Überlebensinstinkt, vorhin fast erloschen, war noch in ihm, füllte ihn bis zur letzten Faser aus und trieb ihn fort von dem Ungeheuer, dessen Aufschrei wie ein Schlag war, der ihn taumeln und erneut fallen ließ.
„Nein!" schrie Kaghoul. Plötzlich war Ismegh neben ihm und rollte sich in seine Arme. „Nein! Tötet uns nicht! Ihr könnt von uns alles haben, aber..."
Der Anführer schnitt seine häßlichste Grimasse und hob sein Schaftmesser. Seine Augen blitzten heller als die Klinge. Sein Maul war weit aufgerissen, die Giftdrüse hinter den Zahnreihen deutlich zu erkennen.
Warum tötet er seine Opfer nicht einfach damit? Er hätte nur zu spucken brauchen!
Der Gedanke tauchte nur ganz kurz in Kaghouls Kopf auf, versank aber sofort wieder in der hochlodernden Panik. Ismegh klammerte sich an ihn. Er drehte sich ihr zu und packte sie ebenfalls ganz fest. Es war aus...
Er schloß die Augen. Er wollte das Messer nicht herabkommen sehen.
Die anderen Wilden feuerten ihren Anführer lautstark an. Sie hatten es die ganze Zeit über getan, doch erst jetzt bemerkte der Truppführer es. Er hörte, roch, fühlte und sah überhaupt viel mehr in diesem Bruchteil einer Sekunde, den er noch erlebte; sah mit geschlossenen Schutzhäuten.
Ihm blieb keine Zeit, sich darüber zu wundern. Es war aus... Irgend etwas hätte er Ismegh noch sagen müssen. Es war ein Gefühl, er hätte die Worte gar nicht gewußt. Irgend etwas, noch so vieles hätte passieren müssen, aber...
Ein seltsamer Ton, wie ein langgezogener Pfiff...
Warum hörte er das denn? Warum lebten er und Ismegh noch - oder war sie am Ende schon tot, und er wurde erst als zweiter hingemetzelt?
Der Anführer der Wilden grunzte. Es klang überrascht, wütend und enttäuscht. Ähnliche Laute kamen von seinen Artgenossen. Offenbar hatte es dieser Stamm völlig verlernt, sich einer Wortsprache zu bedienen. Sie waren in tiefste Primitivität zurückgefallen. Und nun war etwas geschehen, das sie in diese Aufregung versetzte.
Erneut erklang das Pfeifen. Solche Töne entstanden, wenn jemand kräftig in ein Korallenhorn blies. Sie wurden weit über das Land getragen.
Wanderer, die sich bei einem längeren Marsch voneinander entfernten, benutzten solche Hörner, um sich gegenseitig zu rufen, wenn sie anders nicht mehr zusammenfanden.
„Kaghoul", flüsterte Ismeghs Stimme. „Sieh...!"
Er wagte es endlich, die Augen wieder aufzuschlagen, und konnte nicht glauben, was sie ihm zeigten.
„Aber... sie fliehen!" entfuhr es ihm.
„Nein, Kaghoul. Jemand... oder etwas... hat sie gerufen. Und es muß so mächtig sein, daß sie uns einfach vergessen haben. Statt uns zu töten und mitzunehmen, sind sie weggelaufen, als ob ein böser Geist von ihnen Besitz ergriffen hätte."
Sie konnte schon wieder zusammenhängend sprechen, fast ruhig. Er sah die letzten Wilden zwischen Tanghaufen und Korallengewächsen verschwinden. Keiner warf ihnen noch einen Blick zu.
Kaghoul begriff es nicht. Vielleicht träumte er nur, irgendwo auf dem langen Weg in ein anderes Licht. Vielleicht war das alles nie passiert, und er lag im Berg, tief unter dem Meer, und schlief. Und wenn er erwachte, war alles wie immer.
Alles wie
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