1737 - Das Blut der Zauberin
die Mystikerin vergessen, denn der Professor erhielt Besuch.
Toni Hellmann hatte die Person zuvor nicht gesehen. Sie musste sich in guter Deckung angeschlichen haben. Plötzlich war sie da und hielt vor Leitner an.
Der heimliche Beobachter bekam große Augen. Er schüttelte den Kopf, weil er erneut nicht glauben wollte, was er mit eigenen Augen zu sehen bekam.
War diese Mystikerin schon eine ungewöhnliche Person, stand diese neue Frau der Serena in nichts nach. Sie lebte, aber sie schien trotzdem ein Kunstgeschöpf zu sein. Ihre Haare waren von einer Farbe, deren Blond alles andere als natürlich war. Und auch die Kleidung wirkte irgendwie unpassend. Hose und Oberteil bestanden aus einem leicht glänzenden Leder. Beides saß sehr eng, wobei der viereckige Ausschnitt viel zeigte, ähnlich wie bei einem sexy Dirndl.
Selbst aus dieser Entfernung sah Hellmann, wie erleichtert der Professor sich gab. Er sprach mit der Fremden, doch es war nicht zu hören, was er sagte.
Nur schienen die beiden sich zu verstehen, denn die Blonde nickte einige Male, bevor sie auf den Eingang der Höhle deutete und sich der Professor umdrehte.
Beide betraten die Höhle.
Toni Hellmann wusste nicht, was er unternehmen sollte. Er traute sich nicht, die Höhle abermals zu betreten, doch schließlich siegte seine Neugierde. Er war so weit gekommen, und bisher war ihm auch nichts passiert. Deshalb ging er davon aus, dass er mehr sehen musste, denn er war der einzige Zeuge.
Inzwischen hatte er sich entschlossen, das Geschehen zu melden. Er wollte mit dem Polizisten im Ort reden. So etwas wie hier musste einfach überprüft werden.
Toni Hellmann löste sich aus seiner Deckung. Über kleine Umwege schlich er auf den Höhleneingang zu. Für seine Umgebung hatte er keinen Blick mehr. Sein Herz schlug schneller. Er war mehr als aufgeregt und bemühte sich zudem, kein überflüssiges Geräusch zu verursachen.
So kam er an die Höhle heran und natürlich auch an deren Eingang. Dort blieb er stehen und sorgte dafür, dass er erst mal zu Atem kam und wieder ruhiger wurde.
Als das geschafft war, schob er sich vor und warf einen Blick in die Höhle, wo sich der Professor mit der Blondhaarigen aufhielt.
Beide standen sich gegenüber. Beide unterhielten sich, und Hellmann verstand sogar, was gesprochen wurde...
***
Ludwig Leitner hatte sich vor der Begegnung mit der Blonden gefürchtet. Er wusste, wer sie war, aber er wusste trotzdem nicht genau, wer sich hinter dieser Fassade verbarg. Nur der Name war ihm bekannt.
Sie hieß Justine Cavallo, und sie hatte ihn auf die richtige Spur gebracht. Seine Furcht war vergangen, seit sie die Höhle betreten hatten. Jetzt standen sie sich in Reichweite gegenüber, und der Professor hatte die verschwitzten Hände zu Fäusten geballt.
»Ich hoffe, dass du zufrieden bist. Ich habe genau das getan, was du mir aufgetragen hast.«
Die Blonde antwortete zunächst nicht. Sie nickte nur und ließ den Professor stehen, um einige Schritte weiterzugehen, denn dort malte sich eine Gestalt ab.
»Das ist sie.«
Justine nickte. »Ich weiß.« Mehr fügte sie nicht hinzu. Sie winkte nur scharf ab und ließ den Professor stehen. Mit katzenartig schleichenden Bewegungen näherte sie sich ihrem neuen Ziel, das sich nicht bewegte und so wirkte, als würde es auf die Besucher warten. Zum Greifen nahe blieb sie stehen.
Serena bewegte sich nicht. Sie hielt den Mund geschlossen und wirkte wie eine Statue. Es war kein normales Leben in ihr, das wusste die Cavallo. Sie lächelte trotzdem. Und während sie den Mund öffnete, waren ihre beiden Blutzähne zu sehen, die aus dem Oberkiefer wuchsen. Es hatte den Anschein, als wollte sie die Spitzen in den Hals der anderen hacken.
Das tat sie nicht. Dafür unternahm sie etwas völlig Absurdes. Zumindest für den Zuschauer, der die Luft anhielt, als er sah, was da passierte.
Die Cavallo trat noch näher an Serena heran. So nahe, dass es ihr keine Probleme bereitete, sie mit den Lippen zu berühren. Es sah aus, als wollte sie die Tote küssen, aber das traf nicht zu. Bevor Justine die Lippen erreichte, drehte sie den Kopf zur Seite, und dann schnellte ihre Zunge hervor.
Sie fand ein Ziel.
Es war die linke Wange der Toten. Die Zungenspitze strich darüber hinweg, sie drehte sich kurz danach einem neuen Ziel entgegen. Es war die Wunde, aus der das Blut gelaufen war.
Genau darauf hatte die Cavallo spekuliert. Sie leckte es ab. Die Zunge bewegte sich dabei von oben nach unten, und sie
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