1737 - Das Blut der Zauberin
benutzt hatte.
Konnte ich ihr glauben? War dieses Phänomen überhaupt zu fassen? Und was sollte jetzt mit ihr geschehen? Sie war keine Gegnerin, sondern eine Verbündete, und ich sah mich praktisch als ihr Beschützer an. Dabei dachte ich an die blonde Bestie.
Sie würde sich mit dem getrunkenen Blut nicht zufriedengeben, das stand fest. Sie ging nach dem Prinzip einmal ist keinmal vor. Und sie würde einen Angriff starten. Sich am Blut einer Mystikerin zu sättigen, was konnte ihr Großartigeres passieren?
Einer war zufrieden, und das war Professor Ludwig Leitner. Er hatte sein großes Ziel erreicht, doch ich glaubte nicht, dass er an Serenas Seite bleiben konnte. Da gab es Personen, die das verhindern würden.
Oder zumindest eine, denn die durfte ich nicht aus meinem Gedächtnis tilgen.
»Haben Sie denn eine Idee, wie es weitergehen soll, Professor?«
Er zuckte zusammen. Wahrscheinlich hatte ich ihn in seinen Gedanken gestört.
»Was sagten Sie?«
Ich wiederholte meine Frage.
Er lächelte verlegen. Dann kratzte er an seinem linken Ohr und hob die Schultern. »So genau weiß ich es nicht. Aber ich würde sie ungern laufen lassen. Es ist zu überlegen, ob ich sie mit in mein Zuhause nehme. Ich wohne nicht weit von Wien entfernt und lebe zudem allein. Ich hätte viel Zeit, um mich um sie zu kümmern. Wir könnten reden. Ich würde viel über die damaligen Zeiten erfahren, und deshalb finde ich diese Möglichkeit auch nicht schlecht.«
»Das kann zutreffen«, erwiderte ich. »Aber denken Sie auch immer daran, dass diese Person nicht von allen geliebt wird. Dass es Menschen gibt, die ihr feindlich gesinnt sind und sie für ihre Zwecke missbrauchen wollen.«
Er schaute skeptisch zu mir hoch. »Sie meinen diese Blonde?«
»Ja, Justine Cavallo. Es ist schwer zu glauben, aber ich wiederhole mich gern. Diese Frau ist kein normaler Mensch. Sie ist eine Vampirin und ernährt sich vom Blut der Menschen. Das sollten Sie immer im Hinterkopf behalten.«
Er hob die Schultern. »Ich weiß, aber ich setze auf Sie. Sie werden mir doch helfen?«
»Auf jeden Fall, Professor. Nur ist meine Hilfe zeitlich begrenzt.«
»Das sehe ich ein. Aber ich bin optimistisch, eine Lösung zu finden. Ich könnte mir vorstellen, die nächsten Tage hier im Haus zu verbringen. Dagegen wird Serena wohl nichts haben.«
»Kann ich mir auch nicht vorstellen.« Eigentlich hatte ich noch etwas sagen wollen, was die Cavallo anging, da fiel mir plötzlich mein Freund Bill Conolly ein. Er hatte sich von uns getrennt, um sich oben im Haus umzuschauen. Das war ja kein Problem, und er hätte eigentlich schon zurück sein müssen.
Das war er nicht.
Plötzlich überkam mich ein ungutes Gefühl. Der Gedanke, dass sich Justine Cavallo hier im Haus versteckt hielt, wollte einfach nicht weichen. Und der waffenlose Bill Conolly war eine leichte Beute für sie.
Ich nickte dem Professor zu. »Kann ich Sie für eine Weile allein lassen?«
»Ja, warum nicht? Wollen Sie weg?«
»Nein, ich bleibe innerhalb des Hauses.«
»Okay.«
Plötzlich sagte Serena etwas, und ich blieb erst mal stehen, denn ihre Worte klangen nicht gut.
»Ich will nicht, dass sie erwachen.«
Für mich hatte sie in Rätseln gesprochen. Deshalb hakte ich nach.
»Wer soll nicht erwachen?«
»Die Dämonen«, sagte sie leise.
Ich war wieder ganz Ohr. »Welche Dämonen denn?«
»Die am Dom...«
***
Bill sah die Blutsaugerin und glaubte, sich getäuscht zu haben. Das konnte es nicht geben, das konnte nicht sein. Justine Cavallo hockte vor ihm auf dem Schrankboden. Sie sah so unnatürlich aus. Sie hatte eine ihr völlig fremde Haltung eingenommen, und als Bill genauer hinschaute, da stellte er fest, dass sie sogar leicht zitterte.
Jetzt begriff er gar nichts mehr. Aber es war die Cavallo und keine Doppelgängerin. Er schaute weiterhin nach unten, und jetzt sah er, dass sie sich bewegte.
Allerdings nur den Kopf, den legte sie in den Nacken, um in Bills Gesicht schauen zu können.
Der Reporter blieb stehen. Er hielt ihrem Blick stand, brachte ansonsten aber kein Wort über die Lippen. Es war das gleiche Gesicht und trotzdem ein anderes. So kannte er die Cavallo nicht. In diesem Gesicht war die Glätte verschwunden, und die Blutsaugerin zeigte so etwas wie Gefühle. Oder sie strahlte das ab, was sie beschäftigte, denn gut ging es ihr beileibe nicht.
Aber wieso? Warum? Was war geschehen?
Bill fand keine Antwort. Hätte er jetzt eine Waffe bei sich getragen, wäre es ihm ein Leichtes
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