1739 - Justines grausamer Urahn
ab.
»Warte«, sagte Sheila leise. Sie griff nach dem Badetuch und reichte es der Nackten.
Serena stieg aus der Dusche. Sie blieb auf einem vor ihr ausgebreiteten Duschteppich stehen, damit sie auf dem glatten Boden nicht ausrutschte. Mit beiden Händen fasste sie das Badetuch und hüllte sich in den weichen Stoff ein.
Auch das rote Haar war nass geworden. Es bildete keine Locken mehr. Jetzt lag es angeklatscht auf dem Kopf.
Serena rubbelte sich trocken. Auch ihre Haare verschwanden unter dem Tuch. Sheila schaute ihr zu. Sie hoffte nicht, dass sich die Wunden durch die Rubbelbewegungen wieder öffneten. Man musste mit allem rechnen, aber Serena wusste genau, wie sie sich zu verhalten hatte. Es ging alles glatt.
Sheila hatte die frische Kleidung auf den Wannenrand gelegt. »Ich denke, dass es dir passen wird.«
»Danke.«
Serena legte das Tuch zur Seite und zog sich an. Sheila warf einen Blick in die Dusche. Sie war blank, abgesehen von einigen Wassertropfen und Schaumresten. Blut war nicht zu sehen. Kein roter Spritzer bedeckte die helle Oberfläche. Als Sheila das sah, kam ihr alles wie ein Traum vor. Das war es leider nicht. Es gab diese Frau, die ein so schweres Schicksal hinter sich hatte und auch jetzt noch davon behelligt wurde.
Sie war in der Vergangenheit als Mystikerin aufgetreten. Aber sie war keine Person wie aus dem Märchenbuch, wie dort die geheimnisvollen Frauen beschrieben wurden. Man konnte sie als eine attraktive Person bezeichnen, die sogar in die heutige Zeit passte. In dem Gesicht fielen die Augen besonders auf. Sie waren recht groß und schimmerten geheimnisvoll. Manchmal waren die Pupillen in der Lage, die Farbe zu wechseln, in der Regel aber blieben sie dunkel.
Als Serena angezogen und auch in ein Paar frische Schuhe geschlüpft war, nickte Sheila ihr zu, wobei sie lächelte. »Geht es dir wieder besser?«
»Ich glaube schon.«
»Das ist gut. Hier ist trotzdem nicht der richtige Ort. Lass uns in einen anderen Raum gehen. Ich möchte etwas trinken und denke, dass du auch nichts dagegen hast.«
»Nein.«
Sheila ließ ihren Schützling vorgehen.
Serena hielt den Kopf gesenkt. Sie passierte Sheila und betrat vor ihr den Wohnraum.
Wasser gab es in der Minibar, und die entsprechenden Gläser standen auch bereit.
Sheila sorgte dafür, dass sie gefüllt wurden, dann nahm sie neben der Mystikerin auf der Couch Platz. Sie war gespannt auf Serenas Aussagen, aber sie wollte sie auch nicht drängen, und so tranken sie erst mal das Mineralwasser.
Als Serena das Glas abstellte, sagte sie mit leiser Stimme: »Ich habe dir sicherlich einen Schock versetzt, als du mich so gesehen hast.«
»Das kann man wohl sagen.«
Serena schüttelte den Kopf. »Ich habe es auch nicht vorgehabt, das musst du mir glauben. Aber es gab keine andere Möglichkeit. Alles musste so passieren, das schwöre ich dir.«
»Gut. Und warum passierte es? Warum kam alles so plötzlich? Ohne Vorwarnung und...«
»Doch, es gab eine Vorwarnung.«
»Ach? Habe ich sie übersehen?«
»Nein, das hast du nicht. Oder besser gesagt, du kannst sie nicht bemerkt haben. Sie hat nur mich erreicht.«
»Und wie muss ich mir das vorstellen?«
Die Mystikerin seufzte. Danach sagte sie mit leiser Stimme: »Es geht wieder los.«
Mit dieser Feststellung konnte Sheila Conolly nichts anfangen. »Was geht wieder los?«
»Es ist unterwegs.«
»Und was genau?«
»Das kann ich dir nicht sagen, ich habe nur eine Warnung erhalten, verstehst du?«
»Nein, aber wovor hat man dich gewarnt?«
»Vor dem Bösen...«
***
Nach dieser Antwort schwieg Serena und schaute auf ihre Knie, die von einer hellblauen Jeans bedeckt wurden.
Sheila gab keinen Kommentar ab und musste sich den letzten Satz erst mal durch den Kopf gehen lassen. Es war eine zu allgemeine Antwort gewesen, denn das Böse war einfach zu abstrakt, um es verstehen zu können. Es war vorhanden, das schon, aber wohin immer man auch griff, zu fassen war es nicht. Da musste Serena schon konkreter werden.
»Kannst du dich nicht deutlicher ausdrücken, damit ich es auch verstehen kann?«
»Besser nicht.«
»Warum nicht?«
Die Augenbrauen der Mystikerin zogen sich zusammen. »Das Böse ist in diesem Fall nicht konkret. Nicht für mich. Ich weiß nur, dass es unterwegs ist. Ich kann dir nicht sagen, wie es aussieht und welche Gefahren lauern. Ich weiß nur, dass es da ist und es sich auf dem Weg befindet. Ich habe die Warnung erhalten, mein Blut erhitzte sich. Ich fühlte mich wie in
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