1739 - Justines grausamer Urahn
einem Kessel, und dabei stieg auch die Angst wieder in mir hoch.«
»Müssen wir uns denn Sorgen machen?«
Serena dachte erst nach. Dabei schaute sie das Glas an, ohne zu trinken.
»Ja, man muss sich Sorgen machen«, gab sie schließlich zu.
»Auch wir beide?«
»Das weiß ich nicht, ich habe nur die Warnung bekommen, dass etwas unterwegs ist. Wie es genau aussieht, ist mir unbekannt. Aber das Blut der Heiligen lügt nicht.«
Sheila nickte. »Das glaube ich dir sogar. Du bist ein ehrlicher Mensch und du hast das Böse bekämpft. Das ist wohl nicht vergessen worden, denke ich.«
»Ja, so muss man es sehen. Das Böse vergisst nichts. Es ist auch immer da. Es war immer da. Schon bei Anbeginn der Zeiten hat es seinen Platz gehabt. Ausrotten konnte man es nicht. Und auch wir schaffen es nicht, das ist die Wahrheit.«
»Ja, damit bin ich voll und ganz einverstanden«, sagte Sheila. »Ich selbst und meine Familie haben über Jahre die entsprechenden Erfahrungen gemacht. Du hörst also, dass hier jemand neben dir sitzt, der über diese Dinge Bescheid weiß. Es war wohl die Fügung des Schicksals, die uns zusammengeführt hat, und wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, vor dem Bösen nicht wegzulaufen. Wir stemmen uns ihm entgegen. Und das bereits unser ganzes Leben.«
»Und ihr lebt noch?«
Sheila musste lachen. »Ja, wir leben noch. Mein Mann, mein Sohn und ich. Es gibt allerdings Tage, da können wir selbst nicht fassen, dass wir noch am Leben sind. So ist das nun mal.«
»Und ihr habt nie aufgegeben?«
Sheila nickte. »So ist es. Und wir werden auch in diesem Fall nicht aufgeben. Wir ziehen es durch, das kann ich dir versprechen. Keinen Bückling vor der Hölle. Ich habe nur Probleme damit, dass ich nicht weiß, was auf mich zukommt. Du hast es mir auch nicht sagen können. Oder bist du jetzt schlauer?«
»Leider nicht.«
»Und gehst du davon aus, dass es uns vernichten kann?«
»Das weiß ich auch nicht. Man hat mir nicht mitgeteilt, dass wir das Ziel sind.«
»Dann könnten es auch andere Zielobjekte sein?«
»Ja, das denke ich.«
Sheila dachte weniger an sich. Ihre Gedanken galten jetzt ihrem Mann Bill, der unterwegs zu John Sinclair war, um ihn von einer alten Kirche abzuholen, die entweiht worden war und der man den Namen Dämonen-Dom gegeben hatte.
Vor Kurzem hatte sich Bill von unterwegs gemeldet und erklärt, dass alles in Ordnung sei. Da hatte Sheila aufatmen können. Jetzt allerdings hatte sich ihre Erleichterung relativiert, denn sie glaubte fest daran, dass sich Serena nicht geirrt hatte und da etwas auf alle zukam.
Es schien, als hätte Serena ihre Gedanken gelesen, denn sie sagte mit leiser Stimme: »Alle müssen Angst haben – alle...«
Sheila erwiderte nichts. Sie nahm jedoch wahr, dass ihr Herz schneller klopfte als gewöhnlich. Und das war für sie kein gutes Zeichen...
***
Ich stand vor dem Altar im ehemaligen Dämonen-Dom, aber dieser Gegenstand interessierte mich nicht, denn mein Blick war auf die Wand hinter dem Altar gerichtet.
Dort malte sich etwas ab.
Es war da, auch dreidimensional, wie ich meinte, denn das Licht meiner Lampe leuchtete es an. Aber es war trotzdem nicht so existent, als dass ich es hätte anfassen können. Es war ein Bild, etwas Ähnliches wie ein Hologramm, doch darüber dachte ich weniger nach. Mich interessierte vorerst nur sein Aussehen, und das konnte man als grässlich bezeichnen.
Es war im Prinzip ein Gesicht. Auch wenn man hier von einer Fratze ausgehen musste. Sie präsentierte sich kompakt und trotzdem irgendwie leicht, denn seine Masse sah aus, als wäre sie aus Baumrinde zusammengesetzt. Ja, so kam es mir vor. Runde und dicht zusammenliegende, dehnbare Zweige, die eben dieses Gesicht bildeten, das aus der Natur geschaffen worden war.
Aber das war es nicht. Bestimmt nicht, denn es gab in dem Antlitz ein Augenpaar, das keinerlei Ausdruck hatte und trotzdem auf mich wirkte, als würde es mich anstarren. In den Öffnungen schimmerte es hell, das sah ich, als ich den Strahl für einen Moment senkte, sodass er nur die Wand unter der Fratze traf.
Aber das Augenpaar war nicht das Wichtigste. Es gab noch das Maul, das nicht geschlossen war und mich an den Eingang eines Tunnels erinnerte.
In diesem Maul steckten Zähne. Sie verteilten sich in zwei Reihen. Die einen oben, die anderen unten. Auch das hätte ich noch hingenommen, wenn da nicht zwei besondere Zähne meine Aufmerksamkeit erregt hätten.
Zwei spitze Hauer, für deren Existenz es nur eine
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