1739 - Justines grausamer Urahn
holte aber zugleich mein Kreuz aus der Tasche und hielt es als Sicherheit fest.
Es hatte mich gewarnt. Das war jetzt vorbei. Es fühlte sich normal an, und es stellte sich auch heraus, dass die Wand völlig normal war. Sie war einfach nur glatt. Es gab keine Vorsprünge und auch keine Risse, die ich ertasten konnte.
Dann passierte doch etwas. Die Fratze verblasste. Für mich sah es so aus, als wäre sie dabei, sich in das Innere der Wand zurückzuziehen, was tatsächlich auch passierte.
Sekunden später leuchtete ich gegen eine Wand, die wieder völlig normal aussah. Abgesehen von einer kleinen Vertiefung, in der eine Kugel aus geweihtem Silber steckte.
Die pulte ich hervor und ließ sie in meiner Tasche verschwinden. Bill wollte wissen, ob wir jetzt losfahren konnten.
»Sheila und Serena sind sicher im Hotelzimmer«, teilte er mir noch mit.
Ich war nicht so optimistisch. »Was heißt in diesem Fall schon sicher, Bill?«
»Ich wollte es dir nur sagen.«
Für mich war das Thema zunächst erledigt. Vor der Cavallo blieb ich stehen und fragte sie: »Kannst du aufstehen, oder muss ich dich hochziehen?«
Sie lachte nur, drehte mir dann den Rücken zu und versuchte, ohne Hilfe auf die Füße zu gelangen.
Jetzt hätten Bill und ich lachen können, was wir uns allerdings verkniffen. Stattdessen schauten wir zu, wie Justine es zur Hälfte schaffte, dann aber zusammenbrach, weil die Beine sie nicht halten konnten.
»Du hast dir wohl mal wieder zu viel vorgenommen?«, höhnte ich.
Sie lag halb auf dem Boden und flüsterte: »Es kommen auch wieder andere Zeiten, das schwöre ich dir.«
»Ja, aber nicht für dich.« Wie ein Karnickel packte ich sie im Nacken und zerrte sie auf die Beine.
Sie fluchte, was ihr nichts einbrachte, denn ich schleifte sie zum Ausgang hin und war froh, den ehemaligen Dämonen-Dom nun endlich verlassen zu können...
***
Ich dachte an den toten Professor Leitner, den wir in der Kirche hatten zurücklassen müssen. Natürlich würde ich die einheimischen Kollegen einweihen müssen, nur nicht in dieser Nacht. Wer konnte schon wissen, welche Überraschungen noch auf uns warteten? Da war es besser, erst mal die Ruhe zu bewahren und irgendwelchen Fragen aus dem Weg zu gehen.
Ich hatte auf dem Beifahrersitz des Polos Platz genommen. Justine hockte auf dem Rücksitz. Sie musste dort nicht extra bewacht werden, denn sie war zu schwach, um uns gefährlich werden zu können. Und diese Schwäche spielte sie uns nicht vor. Sie war nicht der Typ dafür und wäre auch nie auf den Gedanken gekommen, so etwas zu tun.
Ich wusste nicht, wie die Dinge weiter laufen würden. Es war zunächst mal wichtig, dass wir in das Hotel gingen, wo wir Sheila und die Mystikerin treffen würden. Ich war gespannt darauf, wie Serena zu der blonden Bestie stehen würde. Und umgekehrt auch. Schließlich hatte die Cavallo das Blut der anderen getrunken und deshalb so schwach geworden.
Perfekter hätte es für uns gar nicht laufen können. Die Cavallo schwach, und das hoffentlich für immer, das wäre es doch gewesen. Da hätte ich der Mystikerin schon dankbar sein müssen.
Oft gehen Wünsche ja in Erfüllung. Ob das in diesem Fall auch so sein würde, daran glaubte ich nicht. Irgendwas würde passieren, das war immer so gewesen. Bei uns liefen die Dinge nie ganz glatt ab. Und es fing bereits an. Nicht bei mir und auch nicht bei Bill Conolly. Dafür geschah etwas auf der Rückbank.
Dort fing Justine an zu flüstern. Zuerst hatte ich mit diesen Lauten Probleme. Ich wusste nicht, was sie bedeuteten, dann aber drehte ich den Kopf und sah die Blutsaugerin in einer veränderten Haltung. Sie war zur Seite gekippt, was ihr nichts ausmachte. So lehnte sie an der Tür und wartete ab. Das sah im ersten Moment so aus, bis mir auffiel, dass sie ihre Lippen bewegte. Sie sprach gebetsmühlenartig vor sich hin.
Bisher hatte ich noch nicht erlebt, dass Justine Cavallo Selbstgespräche führte. Dass sie es hier tat, war mir neu, und ich wunderte mich zunächst darüber. Zudem steigerte sich meine Neugierde.
»He, mit wem redest du? Mit dir selbst?«
Sie nahm meine Frage nicht zur Kenntnis, redete einfach weiter, hob dann aber den Kopf und schaute mich an. Dabei grinste sie und flüsterte: »Ich rede mit meinem Urahn.«
Das hatte ich nicht erwartet.
»Und weiter?«
»Das soll genügen, Sinclair.«
»Tut es aber nicht. Du kennst mich doch. Was hat es für einen Grund, dass du so etwas tust?«
»Lass dich überraschen.«
Ich blieb
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