1739 - Justines grausamer Urahn
Erklärung gab.
Es waren die Zähne eines Vampirs!
Als mich dieser Gedanke durchzuckte, musste ich schlucken. Ich hatte in dieser entweihten Kirche mit vielem gerechnet, nicht aber mit dem Abbild eines Vampirschädels, der zudem ein besonderes Aussehen hatte. In meinem Leben hatte es schon oft genug Konfrontationen mit einem Vampir gegeben, doch einer wie dieser war mir noch nicht über den Weg gelaufen. Es fiel mir zudem schwer, daran zu glauben, dass ich es mit einem Blutsauger zu tun hatte, wenn ich zum Beispiel an Justine Cavallo dachte, die vor der Kirche auf mich wartete.
Aber ich bildete mir diese Fratze nicht ein. Sie war da, und ich hatte schon zuvor eine Warnung erhalten, denn mein Kreuz hatte sich leicht erwärmt.
Und jetzt sah ich sie.
Ich schaltete die Lampe aus, um zu erkennen, wie sie im Dunkeln auf mich wirkte.
Die Fratze verschwand nicht. Sie blieb Bestandteil dieser Wand und sie hob sich auch von dem dunklen Hintergrund ab, obwohl sie selbst dunkel war.
Das Geflecht, das die Fratze bildete, sah im Vergleich zum Dunkel braun aus und war mit hellen Flecken versehen.
Wer was das?
Eine neue und zugleich uralte Art von Vampiren? Danach sah es aus, daran musste ich auch denken. Ja, er wirkte so uralt und zugleich lebendig, wobei eine Gefahr von ihm ausging, das hatte ich durch mein Kreuz erfahren.
Berichte über Vampire gab es nicht erst seit Jahrhunderten. Auch in den Zeiten davor war schon über sie geschrieben worden. Man hatte die Berichte in den Unterlagen alter Völker gefunden, denn das Blut der Menschen hatte stets eine besondere Anziehungskraft für bestimmte Geschöpfe ausgeübt.
Als ich mir diese Fratze mit den hellen weißen Zähnen jetzt anschaute, kam mir schon der Gedanke, dass ich es hier mit einem Uraltvampir zu tun hatte, über dessen Entstehung ich nichts wusste.
Der erste Anblick hatte mir zwar keinen Schock versetzt, aber so leicht nahm ich ihn nicht hin. Ich spürte auf meinem Rücken schon das Kribbeln, und auch das Luftholen fiel mir nicht so leicht wie sonst.
Er war erschienen. Für mich spielte es keine Rolle, aus welcher Dimension auch immer. Ich dachte daran, dass vor der Kirche eine gefährliche, zum Glück jetzt geschwächte Blutsaugerin im Gras lag. Justine Cavallo war so schwach, dass sie eigentlich hätte aufgeben müssen.
Das hatte sie nicht getan. Sie hatte sich mir gegenüber sogar als besonders stark erwiesen. Jetzt sah ich den Grund. Sie fühlte sich nicht allein, sondern rechnete mit einem starken Helfer, was ich ihr nicht mal verübeln konnte.
Was sollte, was musste ich tun?
Es war die Frage, ob diese Gestalt überhaupt zu fassen war. Noch sah sie aus, als wäre sie in die Wand integriert, trotz des dreidimensionalen Bildes.
Um genauere Angaben zu bekommen, musste ich näher an sie heran. Das war kein Akt, denn ich brauchte nur den schlichten Altar zu umrunden. Mein Vorsatz stand fest, und trotzdem nahm ich davon Abstand, denn die Ruhe in der Kirche wurde plötzlich unterbrochen. Das Geräusch klang hinter mir auf. Es hörte sich an wie ein Schaben, das auf dem Steinboden verursacht wurde.
Böse Überraschungen wollte ich nicht erleben. Auf der Stelle drehte ich mich um und leuchtete zum Eingang hin. Dort stand die Tür auch weiterhin offen, aber das war nicht wichtig. Etwas anderes zählte viel mehr. Und das spielte sich auf dem Boden ab, über den eine Gestalt kroch. Ich sah sie im Licht der Lampe. Ein bleiches Frauengesicht mit sehr blondem Haar auf dem Kopf.
Justine Cavallo wusste bestimmt Bescheid. Sie hatte es draußen nicht mehr ausgehalten und wollte zu mir.
Noch war sie gut zwei Meter entfernt. Zudem machte sie einen erschöpften Eindruck. Sie war auch nicht fähig, sich aus eigener Kraft zu erheben.
Trotzdem grinste sie mich an. Breit hatte sie ihren Mund verzogen, und die beiden spitzen Vampirzähne waren nicht zu übersehen.
Da ich nichts sagte, übernahm sie das Wort. »Wie schön, dass du ihn schon entdeckt hast.«
»Das war nicht schwer.«
»Freut mich.«
»Und wer ist er?« Auf die Antwort war ich gespannt. Noch stand nicht fest, ob Justine Cavallo ihn kannte und mir seinen Namen nennen konnte. Da ich auch nichts von ihr hörte, provozierte ich sie. »Du kennst ihn wohl nicht.«
»Irrtum, Sinclair!«, zischte sie, als befände sich in ihrem Mund eine Schlange. »Ich kenne ihn recht gut.«
»Dann sag mir endlich, wer er ist.«
»Mein Urahn, Sinclair, mein Urahn...« Und dann lachte sie, dass es meinen Ohren fast
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