1745 - Die Ketzerbibel
lag am Licht. Sie dachte daran, dass dieses Licht nicht vom Himmel gefallen war und es jemanden geben musste, der es angezündet hatte.
Sie ging zunächst mal nicht weiter. Es war nichts zu hören. Keine Stimme oder das Scharren eines Fußes auf dem Weg. Das empfand Glenda als normal, und nur das Licht irritierte sie.
Die Neugierde war da, und sie musste gestillt werden. Glenda ging weiter und schlich wie ein Gespenst in die Dunkelheit hinein.
Jetzt nahm sie das Licht stärker wahr. Und sie stellte fest, dass es Flammen waren, die ihr den Weg wiesen. Mindestens zwei sorgten für die sich bewegende und flackernde Helligkeit.
Niemand hielt sie auf. Niemand griff sie an, und ihre Augen weiteten sich, als sie endlich das Ende des Gangs sah. Er mündete in einen größeren Raum, in dem das Licht brannte.
Es war Fackellicht. Allerdings brannten die beiden Feuer in Schalen, die Glenda irgendwie an die Pfeiler einer Brücke erinnerten.
Wer hatte die Flammen entzündet?
Auch darauf erhielt Glenda eine Antwort, denn auf einem Hocker und zwischen den beiden Flammen hockte ein Mann. Er drehte Glenda den Rücken zu, aber er hatte den Kopf und den Oberkörper nach vorn gebeugt. Glenda schloss aus dieser Haltung, dass der Mann irgendetwas auf seinem Schoß liegen hatte, das er betrachtete. Möglicherweise las er auch, denn das Licht war hell genug.
Sie tat nichts. Sie beobachtete nur und wartete ab, was wohl passieren würde.
Alles blieb, wie es war. Trotzdem gab es eine Veränderung, denn der Mann stöhnte hin und wieder auf oder schüttelte den Kopf. Jetzt fiel Glenda Perkins auf, dass er nicht normal gekleidet war. Er trug eine Kutte oder einen Umhang. So genau konnte sie das nicht erkennen.
Warum saß der Mann hier? Wer war er?
Normal war das für Glenda Perkins nicht. Dahinter steckte mehr. Sie ging davon aus, dass der Mann bei seinem Tun nicht gesehen werden wollte.
Aber was tat er?
Das hatte Glenda noch nicht entdeckt. Sie würde sich nicht zurückziehen, sondern den Fremden ansprechen. Allerdings vorsichtig und auch flüsternd, denn er sollte sich nicht erschrecken.
Sie hatte den Mund schon geöffnet, als sie noch mal einen Rückzieher machte. Ein Geräusch war an ihre Ohren gedrungen, und sie hatte auch die Bewegung des rechten Arms gesehen.
Das Geräusch war ihr nicht fremd. Es trat immer dann auf, wenn eine Buchseite umgeblättert wurde. In der Stille hatte es sogar recht laut geklungen, ebenso wie das Seufzen des Mannes, das echt klang, als würde es aus tiefstem Herzen kommen.
Für Glenda Perkins stand fest, dass dieser Mensch mit Problemen zu kämpfen hatte. Wenn er tatsächlich ein Buch vor sich liegen hatte, dann konnte sein Verhalten am Inhalt des Buches liegen.
Aber warum hatte er sich hier versteckt, um es zu lesen? Nur weil er in dieser Umgebung seine Ruhe hatte?
Daran wollte Glenda nicht glauben. Sie war jetzt entschlossen, sich bemerkbar zu machen. Sie ging noch einen Schritt nach vorn, war dabei nicht einmal leise, aber der Mann auf dem Hocker rührte sich nicht. Er schlug sogar noch eine Seite um.
Glenda atmete etwas gepresst die alte Luft ein und machte sich dann bemerkbar.
»Hallo«, sagte sie mit leiser, aber durchaus hörbarer Stimme...
***
Die Wirkung war frappierend!
Der Mann stieß einen Schrei aus. Sein Körper zuckte. Es sah so aus, als wollte er von seinem Schemel aus in die Höhe springen, schaffte es aber nicht und zuckte nur zusammen. Aus seinem Mund drang ein Stöhnen. Er sackte auf seinem Platz zusammen, tat ansonsten nichts. Er drehte sich auch nicht um.
»Bitte, ich entschuldige mich, wenn ich Sie erschreckt habe, aber ich habe nicht damit gerechnet, hier jemanden zu finden. Angeblich ist das Kloster doch leer.«
Der Mann hatte zugehört und sich dabei nicht bewegt. Erst als Glenda verstummte, drehte er sich etwas zur Seite und fragte: »Wer sind Sie?«
Sie lachte. »Bitte, Monsieur, Sie müssen keine Angst haben, ich bin eine Touristin und habe nur einen Spaziergang gemacht. Da ist mir eben dieser alte Bau aufgefallen, und ich habe auch den offenen Eingang gesehen. Da wurde ich neugierig.« Sie hoffte, den Mann beruhigt zu haben, was nicht der Fall war, denn er schüttelte den Kopf und flüsterte nur: »Gehen Sie wieder. Gehen Sie so schnell wie möglich. Es ist besser für Sie.«
»Und warum soll ich gehen?«
»Bitte, verlassen Sie mich. Sie ahnen ja nicht, worauf Sie sich eingelassen haben.«
Das waren Worte gewesen, die Glenda Perkins neugierig machten. Dass
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