175 - Ich - Coco Zamis
schweigen, die er mir gegenüber gespielt hatte, und in Zukunft in Bezug auf Hexen vermutlich vorsichtiger sein.
„Ich bin einverstanden", sagte Stoltzen-Hagenau kleinlaut. „Um eines muß ich Sie allerdings bitten, äh, werte Hexe."
„Und das wäre?"
„Duzen Sie mich nicht mehr, es ist gegen meinen Stand. Ich bin der hochwohlgeborene Graf und Obrist Maximilian zu Stoltzen-Hagenau aus einem vornehmen alten Geschlecht. Darauf muß ich bestehen!"
Du bist doch ein rechter Laffe, dachte ich, redete ihn aber mit Ihr an, damit er parierte. Ich holte Papierbogen, Feder, Tintenfaß und Streusand und löste eine Hand des Grafen. Stoltzen-Hagenau schrieb treu und brav, was ich haben wollte, und siegelte unter dem schwungvollen Krakel seiner Unterschrift mit sämtlichen Titeln und Namen mit seinem Ring.
„Ist Sie jetzt zufrieden?"
Ich war es. Ich hypnotisierte, soweit ich mußte, und schickte den Stoltzen-Hagenau mitsamt Leibwächter und Profoß fort. Die Marschorder brauchte ich, wenn man uns unterwegs kontrollierte, was bestimmt mehrmals erfolgen würde. Hauptmann Czersky konnte mit seinen Soldaten nicht einfach umherreiten, wie er das wollte, sondern mußte gegenüber dem Oberkommando und Höhergestellten Rückendeckung haben. Der von Stoltzen-Hagenau ausgefertigte Paß würde mir später noch gute Dienste leisten.
Vor dreißig Monden brauche ich ihn nicht mehr zu beschwören, hatte Merlin gesagt, und er hatte mir auch sonst noch einiges verheißen. Ich würde mindestens zweieinhalb Jahre lang im 17. Jahrhundert bleiben müssen, ganz gleich, was ich anstellte. Dort hatte ich eine Aufgabe zu erfüllen.
So sehr ich mich fragte, was im 20. Jahrhundert geschah, mit Dorian, Martin, Tirso und Basajaun und der ganzen Dämonenkiller-Crew, es nutzte nichts, deswegen meinen Geist zu zermartern. Ich mußte den mir hier und jetzt gestellten Anforderungen gerecht werden. Es fiel mir schwer, das so hinzunehmen. Alles in mir bäumte sich dagegen auf, durch einen Abgrund der Zeit von meiner Zeit und meinen Lieben getrennt zu sein und vielleicht nie mehr zurückkehren zu können.
Ich fühlte mich in dieser Nacht wie der einsamste Mensch auf der Erde. Ich hielt mich durch magische Aufladung wach, denn ganz traute ich dem Stoltzen-Hagenau nicht über den Weg, obwohl ich ihn eindringlich gewarnt hatte, es würde sein Tod sein, wenn er noch einmal etwas gegen mich unternahm.
Ich versuchte, eine telepathische Verbindung zu meinem Sohn Martin herzustellen. Im 20. Jahrhundert klappte das zuweilen recht gut. Doch jetzt scheiterte es an der Zeitdifferenz. Vielleicht würde ich es noch lernen, eine Botschaft ins 20. Jahrhundert zu senden, zu meinem Kind, das mich bitter vermißte. Aber das war ungewiß.
Czersky und Barbara hatte ich ins Bett befohlen und ihnen gesagt, daß sie schlafen sollten. Sie hörten wie gehorsame Kinder auf mich. Czersky fraß mir gewissermaßen aus der Hand. In dieser Nacht, den restlichen Stunden, die sie noch hatte, überwand oder verdrängte ich meine tiefe Verzweiflung, von meinem Kind und meinen Freunden derart getrennt zu sein.
Meine einzige Hoffnung war, daß die Trennung nur für mich mindestens zweieinhalb Jahre dauern würde. Wenn - falls! - ich durch einen Zeitschacht, mit Merlins Armband, ins 20. Jahrhundert zurückkehrte, würde ich es so einzurichten versuchen, daß ich dort kurz nach meinem Verschwinden eintraf. Aber ich hatte eine Ahnung, daß mir das nicht gelingen konnte.
Ich stand im Schein der Öllampe vorm Spiegel und musterte mich. Es war die letzte Stunde vor Sonnenaufgang. Gern hätte ich eine Zigarette geraucht, aber die gab es im Jahr 1629 noch lange nicht. Pfeife rauchen oder Tabak schnupfen oder gar kauen wollte ich nicht. Lieber verzichtete auf den gewohnten Nikotingenuß.
Das Zelt wies drei Räume auf. Das Lager schlief.
Ich trug Hosen, ein Wams, das Wehrgehenk mit dem Degen und Stulpenstiefel. Ich gab einen schneidigen weiblichen Musketier ab. Die schwarzen Haare fielen mir lang auf die Schultern. Grüne Hexenaugen funkelten mich aus dem Spiegel an. Skeptisch betrachtete ich mich.
Mein Hinterteil hatte ich seit jeher als schlecht proportioniert empfunden, Hüften und Beine hätte ich auch ein wenig anders gestaltet, wenn ich die Wahl gehabt hätte. Obwohl Dorian immer behauptete, schöner und reizvoller könne ich gar nicht sein. Nun, das entsprach seiner Ansicht. Ich hatte noch nie eine Frau getroffen, ob Hexe oder nicht, die mit ihrem Äußeren hundertprozentig zufrieden
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