1750 - Die Zeitmühle
gehört.«
Dagmar hob die Schultern an. »Aber kannst du diese Brücke denn einreißen?«
»Nein, aber sie könnte sich verändern. Ich weiß nicht, mit wem Harry sich unterhalten hat, gehe aber davon aus, dass diese Person recht mächtig ist und genau weiß, was sie tut. Sie ist der Unbekannte im Hintergrund, und wenn es Harry gelingt, ihn zu überzeugen, dann werden wir ihn bald hier sehen.«
»Das wäre wunderbar.«
Ich gab keine Antwort mehr, weil ich ebenso wie Dagmar Hansen wieder lauschte. Möglicherweise gab man uns die Chance, doch etwas zu verstehen, aber das war nicht mehr möglich, denn jetzt hörten wir gar nichts mehr.
Es blieb still.
Das gefiel Dagmar auch nicht. Sie starrte mich an, als könnte ich ihr sagen, was die neue Veränderung verursacht hatte. Aber da musste ich passen.
»John, sei mal still...«
Ich lachte in mich hinein, denn ich hatte nichts gesagt. »Bitte, was ist denn?«
Dagmar schüttelte den Kopf und winkte ab. »Sorry, war nur so dahin gesagt. Aber ich habe etwas gehört, John.«
»Und?«
»Da, jetzt wieder!« Sie stieß einen Arm in die Luft. »Hörst du es denn nicht?«
Ich strengte mich an, und dann wusste ich es auch.
Etwas tickte.
Nicht besonders laut, aber auch nicht zu überhören. Und dieses Ticken konnte nur von der Uhr stammen, die außen an der Mühle angebracht war.
Wer oder was sie in Gang gesetzt hatte, war uns nicht bekannt. Aber wir gingen davon aus, dass es nicht grundlos passiert war. Das hatte etwas zu bedeuten.
Das tickende Geräusch wurde lauter.
Es konnte einen sensiblen Menschen schon leicht nervös machen. Dagmar und ich standen so, dass wir auf den Rand über der Tür schauten. Da war die Uhr nicht zu sehen, nur ein Wulst schaute hervor, das alte Werk.
Ticktack – Ticktack...
Es lief immer schneller ab, zugleich erlebte ich etwas anderes. Es hing mit meinem Kreuz zusammen, das inzwischen außen vor meiner Brust hing.
Über das wertvolle Metall huschte ein schwaches Strahlen. Ich hatte bereits bemerkt, dass etwas bevorstand, denn die Luft veränderte sich. Sie schien sich zu verdichten. Das war zwar ungewöhnlich, aber es entsprach dem, was ich fühlte.
Dagmar Hansen erging es nicht anders. Sie drehte sich um und blickte mich an. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich so etwas wie ein Ausdruck der Fassungslosigkeit ab.
»Was passiert hier?«
Ich wusste es nicht genau, konnte es mir jedoch denken und erklärte ihr, was ich meinte.
»Es kann ein Zeitenwechsel sein, den wir jetzt erleben.«
»Ja, das glaube ich auch.«
Sie fragte nicht mehr weiter. Beide hofften wir, dass es bald vorbei sein würde, aber die Uhr tickte noch immer.
Nicht mehr so hektisch. Nicht mehr so schnell, und ohne Vorwarnung hörte sie auf.
Es wurde still.
»Und jetzt?«, flüsterte Dagmar.
Die Antwort gab nicht ich, sondern das Geschehen an sich, denn das lief ab, ohne dass wir eingreifen mussten. Wir bekamen genau mit, dass die Vergangenheit jetzt die Gegenwart erreicht hatte. Sie war das losgeworden, was sie nicht mehr haben wollte.
So schauten wir auf zwei Personen, die etwas mehr im Hintergrund der Mühle standen.
Einen Mann kannten wir.
Es war Harry Stahl!
***
Nicht nur ich hatte ihn gesehen, sondern auch Dagmar Hansen. Ich sagte nichts und drehte meinen Kopf nur so, dass ich sie anschauen konnte.
Sie stand auf der Stelle und sah aus wie eine Person, die ihr Glück nicht fassen konnte. Die Augen hatte sie weit geöffnet, auch den Mund, aber sie brachte kein Wort hervor. Sie sah nur Harry Stahl, und das war keine Erscheinung, sondern eine reale Person, den die Vergangenheit wieder entlassen hatte, was für Dagmar kaum zu fassen war.
Auch ich machte mir meine Gedanken, die ab jetzt sehr positiv aussahen. Wir hatten Harry wieder, es war praktisch geschafft. Auftrag erfüllt. Und doch war klar, dass der Job noch nicht vorbei war, denn es gab noch diesen zweiten Mann, der kleiner als Harry war und auf seinem Kopf einen dunklen Hut trug. Von seinem Gesicht war nicht alles zu sehen, mir fiel nur der Bart auf, der als graues Gestrüpp die untere Gesichtshälfte bedeckte.
Ich kannte ihn nicht. Ich wusste auch nicht, wie er zu Harry Stahl stand, doch als er seinen Kopf leicht bewegte, gelang mir ein Blick in seine Augen, und die sahen alles andere als freundlich aus. Ich empfand den Blick als kalt und böse, zeigte aber keine Reaktion, weil Dagmar Hansen mich ablenkte.
Sie rief den Namen ihres Partners.
Dann lief sie auf ihn zu, streckte ihm die Arme entgegen,
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