1756 - Herr der Milchstraße
lassen.
Das ist es, was die Dämpfe mir geweissagt haben."
„Ich bin beeindruckt", gab sie ironisch lächelnd zurück. „Prinz Moscher, der älteste Sohn des Fürsten, läßt sich von den Dämpfen benebeln. Ich bin gespannt, was Adrom Cereas dazu sagen wird."
Er blickte sie erschrocken an. „Du wirst es ihm nicht unterbreiten!"
„Warum nicht?" Sie streckte sich auf der Liege aus und schloß die Augen, als sei sie müde und wolle schlafen. „Vielleicht interessiert es ihn."
Der Prinz lachte laut auf, und sie öffnete die Augen wieder. „Es irritiert dich nicht?"
„Überhaupt nicht, aber du könntest dein blaues Wunder erleben, wenn du meinem Vater mit solchen Dingen kommst!" Damit ging er hinaus.
Prinzessin Landra erhob sich in der Erkenntnis von der Liege, daß sie einen Fehler gemacht hatte.
Doch sie hatte keine Gelegenheit, darüber nachzudenken, denn nun meldete sich Prinz Klerin bei ihr, der Lieblingssohn des Fürsten.
Er kam durch eine andere Tür herein, ergriff ihre Hände und senkte demütig den Kopf.
„Deine Schönheit verschlägt mir den Atem", sagte er, und sie wußte, daß er es wirklich so meinte.
Er war einer der wenigen Männer am Hofe des Handelsfürsten Adrom Cereas, die nie intrigierten.
Manche hielten ihn aus diesem Grund für langweilig, doch sie schätzte seine Ehrlichkeit. Nur wenigen Hamamesch vertraute sie so sehr wie ihm.
„Wir wollen keine Zeit verlieren", drängte sie und führte ihn zu zwei Sesseln, auf denen sie dicht nebeneinander sitzen konnten. „Der Bote kommt gleich. Er wird dich in das Labyrinth unter der Stadt führen. Durch einen geheimen Eingang, den noch nicht einmal Infothekar Glentschim kennt, wird er dich zu den Vermächtnissen der Vergangenheit führen, und du wirst Gelegenheit haben, dich ungesehen zu bewegen. Du wirst das Geheimnis lüften!"
„Ich kann es kaum erwarten", sagte Prinz Klerin, ein schwerfällig wirkender Mann mit breiten Hüften, dicken, säulenartigen Beinen und Händen, die wie die Pranken eines gewaltigen Raubtiers waren.
„Sei vorsichtig", warnte sie ihn. „Glentschim hütet das Wissen wie seinen eigenen Augapfel. Er sieht die Infothek als sein Eigentum und das seiner Familie an, und er duldet niemanden da unten.
Wenn er dich entdeckt, wird er dich töten, und er wird es so geschickt machen, daß dein Vater nie erfährt, wer der Täter ist."
„Er wird nicht wagen, sich an mir zu vergreifen", behauptete der Prinz.
„Er wird", betonte sie. „Glentschim schreckt vor nichts zurück, wenn es um das Labyrinth geht, in dem alles Wissen unseres Volkes aufbewahrt wird."
„Es wird Zeit, daß andere als er und die Mitglieder seiner Familie Zugang zum Labyrinth erhalten", sagte Prinz Klerin. „Wenn meine Informationen richtig sind, dann hält er Wissen vor uns verborgen, das unser Volk in Riesenschritten weiterbringen könnte, würde er es nur unseren Wissenschaftlern und Technikern zugänglich machen. Bedauerlicherweise glaubt mein Vater mir nicht, doch ich werde ihm beweisen, daß Glentschim eifersüchtig wichtige Erkenntnisse für sich behält und im Labyrinth vergräbt, weil er sich einbildet, daß sie schädlich für unser Volk seien.
Dabei ist gerade das Gegenteil der Fall: Neues Wissen wird unser Volk in die Zukunft führen - und dafür werde ich sorgen."
„Du bist ein mutiger Mann", lobte sie ihn. „Dir wird die Zukunft gehören. Ich bin sicher, daß dein Vater dir in einigen Jahren Platz machen und dir das Amt des Handelsfürsten übergeben wird."
Ein kleiner, unscheinbarer Mann trat zusammen mit einer Dienerin ein. Er trug ein rotes Band an seinem rechten Handgelenk.
„Das ist der Bote", sagte Landra; dabei dämpfte sie unwillkürlich die Stimme. „Du kannst ihm vertrauen. Er führt dich zu dem geheimen Eingang."
„Ich danke dir, Edle."
Der Prinz verneigte sich. Keine Sekunde lang zweifelte er daran, daß er dem Mann vertrauen konnte. Er wußte, daß Landra Aumedek ebenso wie er daran interessiert war, die Macht des Infothekars zu brechen und jedem Zugang zum Wissen der Hamamesch zu verschaffen. Seit vielen Monaten hatte sie diesen Schritt vorbereitet.
„Man sagt, das Labyrinth sei mit Fallen gespickt, tödlichen Fallen!" rief sie ihm nach, während er mit dem Boten hinauseilte. „Der Bote kennt aber alle Tücken. Er wird dich sicher an dein Ziel bringen."
Klerin drehte sich zu ihr um und winkte ihr beruhigend zu. Er wußte um die Gefahr, in die er sich begab.
Schweigend schritt der Bote vor ihm her. Er
Weitere Kostenlose Bücher