1757 - Endstation Tod
meinen Augen natürlich nicht immer und überall zugleich sein", sagte der Kommandant und zwinkerte wieder nervös. Es wird schlimmer, spürte Cyrn, auch an sich selbst.
Besser, bald von hier zu verschwinden. „Aber dafür habe ich Aufzeichnungen. Ich habe gesehen und gehört, was in dem Gang auf Deck 23 los war, zwischen dir und dem Maler. Ich habe gehört, was du zu ihm gesagt hast, von wegen Erzeuger und Teufel." Origer drehte sich ganz um und legte Dow beide Hände auf die Schultern. „Verflucht, Cyrn, willst du es mir nicht endlich sagen? Mit wem oder was quälst du dich herum? Es ist doch nicht nur der fehlende Zauber der Hamamesch."
Cyrn Dow sah ihm in die Augen, und Origer erschrak. Er ließ Dows Schultern los und ging instinktiv drei, vier Schritte zurück, heftig blinzelnd.
„Dein Blick!" rief er heiser. „Ich weiß nicht was ... Stell das ab! Du sollst mich nicht so ansehen!"
„Entschuldige, Stephan", sagte Cyrn und wandte sich zum Ausgang. „Entschuldige auch, daß ich dir keine Antwort auf deine Fragen geben kann."
„Du kannst nicht!" schallte es hinter ihm. „Ach so?"
„Ja! Weil ich sie selbst nicht weiß!"
Er ging bis zum Schott. Dort blieb er noch einmal kurz stehen und sah sich um, obwohl er wußte, daß er fortmußte.
Denn er merkte noch stärker, wie es kam; wie es in ihm heraufkroch, das Rückgrat entlang, ans Gehirn tastete ...
Stephan Origer stand wieder vor seinen Schirmen und starrte sie an, suchte sie ab nach etwas Verdächtigem, von dem ihm, seinem Schiff und dem Pulk Gefahr drohen konnte.
Sicher stellte er sich jetzt nur stur und war in Gedanken noch immer bei Cyrn und dessen Problemen; fragte sich, ob von daher Unheil drohte und wie groß es sein konnte.
Ob er weiß, was vor acht Jahren in der CHIMAIRA geschehen ist? fragte sich der Hanse-Spezialist Cyrn Dow.
Aber der Kommandant gab darauf keine Antwort. Er stand kerzengerade vor seinen Schirmen und beobachtete. Spürte seinen Leuten nach, obwohl er es haßte.
Ein Einsamer auf Wache, solange der Flug nach Hirdobaan ging. Ein Mensch, selbst süchtig, in der Verantwortung für knapp eine Million anderer, von denen er wahrscheinlich nie ein Wort des Dankes hören würde. Ein Frustrierter. Ein moderner Captain Ahab, isoliert von seiner Mannschaft, mißtrauisch, schweigend und leer.
Cyrn Dow hatte Mitleid. Fast wäre er zu ihm zurückgegangen, um ihm zu sagen, daß er nicht allein war.
Cyrn war, Freund hin und Freund her, hier an Bord so etwas wie seine rechte Hand, und trotzdem war diese Mauer zwischen ihnen beiden. Und wenn es immer wieder diese Szenen zwischen ihnen gab, dann war das nicht nur die Schuld des anderen.
Origer kontrollierte ihn, beobachtete und bewachte.
Das war seine Pflicht, sah Cyrn ein. Das mußte er tun.
Aber es war auch genau das letzte, was Cyrn Dow brauchen konnte.
*
Er war froh, als sich die Kabinentür hinter ihm schloß. Der Weg hierher, zurück in sein einziges Refugium hier an Bord, war schon wieder zur Qual geworden, wie so oft vorher. Cyrns Hände zitterten leicht, als er sich - vor den Linsen der ihm genau bekannten Kamera - auszog und erschöpft aufs Lager fallen ließ.
Es kommt schneller als sonst! Origer hätte nicht davon reden sollen! Mich nicht so unter Druck setzen!
Er streckte sich auf dem Rücken aus, schloß die Augen und gab dem Syntron laut hörbar den Befehl, das Licht in der Kabine zu löschen.
Wenn die Kamera, was wahrscheinlich war, auf Infrarot umschaltete, geschah das nicht schnell genug. Cyrn tat das, was er schon oft mit Erfolg praktiziert hatte. Er war, kaum war das Licht erloschen, wieder auf den Beinen und speiste in die Überwachungseinheit eine Maske ein, die ihn schlafend zeigte, dazu eine akustische Aufnahme, die jedem Beobachter einen unruhigen Schlaf vorgaukelte, über den sich Origer ruhig den Kopf zerbrechen mochte.
Der Kommandant kannte natürlich die alten Tricks. Es war nur die Frage, ob er Cyrn zutraute, sie hier an Bord zu verwenden.
Falls ja, dachte Cyrn, als er sich wieder hinstreckte, habe ich wenigstens mein möglichstes versucht.
An die Konsequenzen wollte er nicht denken - ebensowenig wie an seinen Dämon.
Aber er konnte nicht vor ihm davonlaufen. Er sah ihn als Schatten in der Dunkelheit, wie ein fahler Nebel. Er hörte sein Flüstern, wie ein Wind in den Bäumen, ein heraufziehender Sturm, vor dem es kein Entkommen gab.
Er fühlte die Nähe. Der Alptraum begann. Der Traum, der längst schon kein bloßer Traum mehr
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