176 - Insel der Fledermäuse
jedoch, grausame Gier und fast sexuelle Verzückung in seinem Antlitz lesen zu können.
Die Batangs reichten ihm die kokelnde Raubkatze. Mit einer knappen Handbewegung erteilte der Hydrit einen ungeduldigen Befehl. Eins der Flugwesen grub seine Fangzähne in einen Vorderlauf des Opfers, riss ihn aus und hielt ihn seinem Herrn hin.
Der Hydrit griff danach, beugte sich zur Seite und verbiss sich mit einer derartigen Rohheit in dem Schenkel, dass es Aruula ekelte. Die Schmatz- und Essgeräusche drangen bis zu ihr. Der Wassermann zitterte vor Ekstase, während er weiter schlang.
Das musste ein Anhänger des Mar'os-Kults sein!
Maddrax hatte von diesen abtrünnigen Hydriten berichtet, die Fische aßen und der Barbarei verfallen waren. Allmählich verstand Aruula, was hier vor sich ging.
Eine derartige Gelegenheit würde nicht wiederkommen. Während der Hydrit abgelenkt war, musste sie handeln.
»Der Wind steht günstig für uns«, flüsterte sie Chaang zu. Hastig legte sie ihm einen rasch zurecht gelegten Plan dar, drückte dem Jungen fest die Hand, wie sie es sonst mit tapferen Kriegern tat, und ließ sich mit katzenartiger Geschmeidigkeit in die Felswand gleiten.
***
Der Mar'os-Jünger hatte sich hingehockt und nagte weiterhin mit ekstatischer Verzückung am Schenkel der Raubkatze.
Vorsichtig und stets die Windrichtung beachtend, kletterte Aruula hinab. Ihr Blickwinkel auf die Höhle wurde immer schmaler, je näher sie ihr kam. Eine leicht vorspringende Felsnase versperrte ihr die Sicht. Aruula störte sich nicht daran, war im Gegenteil froh darüber.
Die Batangs besaßen möglicherweise unbekannte und feine Ortungssinne, die auf Bewegungen oder Veränderungen im Gelände reagierten.
Sie erreichte die Oberkante der Höhle. Direkt unter ihr zogen die schweren Rauchschwaden des Feuers hoch.
Mit einer Hand hielt sie sich an einem schmalen Vorsprung fest, mit der anderen leerte sie den Inhalt eines faustgroßen Lederbeutels in die Flammen hinab. Die tranartige Flüssigkeit, mit der sie ihre Fackeln angezündet hatte, verursachte ein verstärktes Zischen und Prasseln und gelbliche Flammen. Fast augenblicklich legten sich träge Wolken über den Höhlenraum, hüllten die Batangs und den Hydriten ein.
Aruula stopfte sich gut durchgekaute Grasmasse in die Ohren, zählte bis drei, ließ sich schließlich mit Schwung ins Innere des Hohlraums hinab fallen. Geschickt rollte sie sich ab, versuchte sich zu erinnern, wo sie Yngve gesehen hatte.
Trotz der Stöpsel drang nun verwirrtes Fiepen der Batangs an ihre Ohren. Die Tiere wussten nicht, was um sie herum vor sich ging. Auch der Hydrit schien verwirrt.
Schemenhaft konnte sie ihn durch Rauchschwaden hindurch erkennen.
Da lag Yngve! Gefesselt an Armen und Beinen, kaum Herr seiner Sinne. Aruula durchschnitt die Lianen, ohrfeigte ihn aufmunternd, stopfte ihm weiteres Grasmus in die Gehörgänge, riss ihn mit sich.
Ein Batang stellte sich ihr in den Weg. Er wirkte träge und verstört, war kaum zu einem koordinierten Flügelschlag in der Lage. Mit aller Kraft ihrer beiden Arme schlug sie das Schwert in seinen Hals. Der Hieb saß punktgenau! Auch wenn der Widerstand beträchtlich war und ihr schien, als würde sie durch feste und zugleich klebrige Masse dreschen, so klappte der Kopf schließlich doch vom Rumpf.
»Komm, du Schlafmütze!«, schnauzte Aruula den nach wie vor benommenen Yngve an, wohl wissend, dass er sie kaum hören würde.
Es blieben nur noch wenige Sekunden. Der Hydrit kam durch den beißenden Rauch direkt auf sie zugestampft, gab seinen Tieren irgendwelche Befehle. Immer mehr Batangs fielen von Wand- und Felsvorsprüngen herab, drohten sie einzukreisen…
Aruula zog die Splinte von den Eiseneiern, warf sie willkürlich nach allen Seiten. Wenige Sekunden hatte sie noch, um die Flucht aus dieser Falle anzutreten. Dort, wo der kopflose Batang zuckend zu Boden fiel, war die kleine Lücke, die sie benötigte. Die Sinne der Flugwesen waren hoffentlich genauso beeinträchtigt wie die ihren.
Sie zog Yngve hinter sich her, führte ihn an den Rand des Vorsprungs, tastete sich im Nebel vor, bis sie ausreichend Halt fand, schwang sich über den Abgrund und zog Yngve mit sich.
Für einen kurzen Moment schwang der Noorwejer frei hängend über der fast senkrechten Felsmauer, nur von ihrem rechten Arm gehalten. Ihr Schultergelenk knackte unter der Belastung. Da schlug endlich der Selbsterhaltungstrieb Yngves an. Instinktiv hielt er sich irgendwo im Gestein des
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