1768 - Maschtaren sehen alles
„Ich habe es dir schon einmal verboten, und ich wiederhole mich nur dieses letzte Mal. Vertraue deine Geheimnisse niemandem an.
Niemandem! Nicht einmal mir. Du bist nun in dem Alter, um nach einer höheren Position zu streben. Du könntest ein guter Assistent werden. Vielleicht strebst du sogar die Position eines Pookers an.
Aber was ist, wenn mich ein Maschtar über dich befragt? Könnte - dürfte - ich ihn dann belügen?
Gebe Gomasch Endredde, daß ich nie in diese Lage komme."
Damals hatte Logid erkannt, daß es Gedeon durch seine Naivität nie zu etwas Höherem bringen würde. Wie konnte er nur so unvorsichtig sein und ihm seine groben Verfehlungen gestehen?
Logid konnte nur hoffen, daß seine Aufrichtigkeit ihm eines Tages nicht zum Verhängnis wurde.
Und jetzt beteiligte sich Gedeon an der Ausscheidung um das Amt eines Maschtars. Logid wünschte sich, daß er nicht zu früh, aber rechtzeitig genug aus diesem Kampf ausschied, um zu überleben und einen Ehrenplatz in der Hierarchie der Schule der Maschtaren zu bekommen.. Wie einst er selbst...
*
Yenoch war der typische Kukonde, der Prototyp eines Beamten. Mürrisch, penibel, lebensfeindlich. Eigentlich haßte er die ganze Welt, einschließlich sich selbst und vielleicht sogar die Maschtaren. Logid hatte jedoch noch nicht herausgefunden, wie er zu Gomasch Endredde stand; ob er überhaupt an ihn glaubte.
Yenoch war zu vorsichtig, um seine Meinung zu solch heiklen Themen zu äußern. Sein Zynismus war reines Gift. Obwohl nicht älter als Logid, war seine Gestalt von der ständigen Verwaltungsarbeit, dem Sitzen an Terminals und dem Studieren komplizierter Statistiken und endloser Zahlenkolonnen, gebeugt worden.
„Es werden beim Nachfolgekampf einige auf der Strecke bleiben", sagte Yenoch voller Schadenfreude, fügte jedoch mit spöttischem Trost hinzu: „Aber für Nachschub ist gesorgt. Die Kinderfänger waren in Hirdobaan zuletzt fleißig unterwegs."
Logid ging nicht darauf ein. Das hätte nur zu einer endlosen Erörterung statistischer Daten geführt. Yenoch wußte über alle Vorgänge in der Schule der Maschtaren Bescheid. Über den aktuellen Bevölkerungsstand, wie viele Abgänge und Zugänge es jeden Tag gab - wie viele Selbstmorde. Wann und woher Vorräte und Ausrüstung geliefert wurden. Nur über die Bewegungen der Maschtaren würde er wohl nicht informiert sein.
Sein Wissen verlieh ihm große Macht. Logid schätzte sich glücklich, daß er in jüngeren Jahren, als Yenoch noch nicht so mächtig war, Druckmittel gegen ihn in die Hände bekommen hatte. Alles in allem hatte Yenoch mehr zu verlieren als er. Aber das hing natürlich davon ab, wieviel sich Yenoch selbst wert war.
„Der Andrang an Bewerbern für den Wettstreit war diesmal unglaublich hoch", plauderte Yenoch weiter. Er rollte mit den Augen. „Was kann ich für dich tun, Logid?"
„Ich möchte erreichen, daß jemand ganz Bestimmtes nicht auf der Strecke bleibt, Yenoch", sagte Logid geradeheraus.
„Hast du was mit dem Burschen?" fragte Yenoch anzüglich und ließ die Augen rollen. „Mir egal.
Deine Sache. Aber was immer du von mir verlangst, ich kann nichts für dich tun. Es geht hier um die Ernennung des neuen Maschtaren. Da halte ich mich heraus."
„Ich erwarte doch nicht von dir, daß du meinem Schützling hilfst, Maschtar zu werden", erwiderte Logid scherzhaft. „Im Gegenteil, ich möchte verhindern, daß er zu weit geht und nicht mehr zurück kann. Ich möchte sein Leben retten."
„Und wie stellst du dir das vor? Willst du ihn zu den Fassys schicken? Kannst du haben."
„Laß diese dummen Scherze, Yenoch. Es gibt doch eine Prüfungskommission, die alle Vorarbeit für Maschtaren leistet. Wer sitzt ihr vor?"
„Ich ganz gewiß nicht. Mit solchem Kram gebe ich mich nicht ab."
„Aber vielleicht der Freund eines Freundes von dir?"
„Du weißt so gut wie ich, daß bei uns niemand Freunde hat. Ich kenne nur Feinde, denen ich jederzeit das Genick brechen möchte."
„Dann kannst du bestimmt etwas für mich tun. Du erinnerst dich, wie es damals bei uns gelaufen ist. Wenn man in einem gewissen Stadium des Wettstreites ausscheidet, bekommt man in allen Ehren einen ruhigen Posten. Das möchte ich für meinen Schützling erreichen. Er darf es nur nicht merken, denn er ist ehrgeizig und würde das nie akzeptieren."
„Unmöglich!"
„Warum bist du so stur?"
„Weil dein Schützling im Blickpunkt des Interesses steht. Er hat nur zwei Möglichkeiten: entweder
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