1768 - Maschtaren sehen alles
Antwort konnte dem Zögling einen Minuspunkt einbringen, wenn er sie nicht entsprechend souverän gegeben hatte.
Die Schule der Maschtaren brauchte starke und ausgeglichene Persönlichkeiten, die jede Situation meisterten. Der ängstliche, unsichere Typ war dagegen zum Fassy geboren.
Noch während die Prüflinge den Saal verließen, wurde das Ergebnis bekanntgegeben. In der Folge wurden die Namen jener 613 Versager verlesen, die nicht bestanden hatten und denen die Degradierung zu Fassys bevorstand.
Die Verlierer hatten sich zur Fassy-Schleuse zu begeben, durch die sie in die Kloaken verbannt wurden.
Das geschah ohne besonderen Aufwand, keiner war am Schicksal der frischgebackenen Fassys interessiert. Gedeon wußte aber von Logid, daß es mit diesem Vorgang eine besondere Bewandtnis hatte.
„In unserer Gemeinschaft haben auch die Fassys eine wichtige Funktion", erklärte ihm sein Pooker.
„Irgend jemand muß die Drecksarbeit schließlich tun. Und er sollte sie gewissenhaft verrichten, ohne nach Höherem streben zu wollen. Darum werden die Verlierer, wenn sie durch die Fassy-Schleuse gehen, einer Art Psycho-Wäsche unterzogen. Dabei werden ihre Fähigkeiten des Fühlens und des Denkens abgebaut, während gewisse Instinkte hervorgekehrt werden. Wenn man so will, werden ihnen Verhaltensmatrizen aufgestempelt. Wenn sie arbeiten, bekommen sie Futter. Wenn sie ungehorsam sind, werden sie bestraft. Wenn die Verlierer in den Kloaken herauskommen, werden sie nicht mehr als solche fühlen.
Sie werden überhaupt nicht mehr viel fühlen, nicht eigenständig denken. Sie sind zu lebenden Arbeitsmaschinen gestempelt worden."
So einfach war es. Gedeon hätte einwenden können, daß Ausnahmen diese Regel bestätigten, wie das Beispiel jenes Fassys zeigte, der ihn, Gedeon, als Kleinkind so mißhandelte, daß er ihn zum Bettnässer gemacht hätte, wäre damals Logid nicht eingeschritten... Aber das hätte zu nichts geführt.
Gedeon drängte es, Logid aufzusuchen und mit ihm die Taktik für die nächsten Runden zu besprechen. Auf dem Weg zu seinem Pooker traf er mit Gessis zusammen.
„Du machst dich nicht schlecht, Gedeon", sagte er. „Bin doch ganz froh, daß mein Perrel nicht in die Kloaken geschickt wird."
„Deine Worte sind eine Beleidigung für einen potentiellen Maschtar, Gessis", wies ihn Gedeon zurecht.
„Na, du hast wenigstens Humor", sagte Gessis amüsiert und ging kopfschüttelnd weiter.
Gedeon widersprach nicht, obwohl er seine Worte keineswegs als Spaß gemeint hatte. Er hatte einige gewichtige Gründe, sich gute Chancen auszurechnen, der neue Maschtar zu werden.
Da waren nicht nur seine körperliche Stärke, seine Reaktionsschnelligkeit und die durchweg überdurchschnittlichen Bewertungen bei allen Prüfungen. Was kaum einer außer ihm selbst wußte, war eine erworbene Rücksichtslosigkeit, die ihn selbst über Leichen gehen ließ.
Was er persönlich als weitere Stärke bewertete, von anderen jedoch als Schwäche beurteilt wurde, waren sein Stolz, sein Ehrgefühl und ein ausgeprägter, wenn auch kompliziert strukturierter Sinn für Gerechtigkeit. Gedeon würde nie irgendeinen Befehl befolgen, den er als unter seiner Würde empfand - es sei denn, der Befehl käme von einem Maschtar.
Nur von einem solchen würde er ihn entgegennehmen! Und er würde nie grausam, gemein oder hinterlistig zu jemandem sein, der ihm nicht mit Arglist und Falschheit begegnet wäre.
Nun, diesbezüglich brauchte Gedeon keine Skrupel zu haben. Denn in der Schule der Maschtaren regierten Falschheit und Intrigantentum, das hatte er längst erkannt. Für ihn waren lediglich die Maschtaren integer - und sein Pooker Logid.
Logid hielt Gedeon für naiv, doch in dieser Beziehung irrte er sich gewaltig. Gedeon war nur raffiniert genug, Naivität vorzutäuschen. Das gehörte zu seinen Stärken.
Und das war, woran Gedeon glaubte: Nur jemand, der wirklich stark genug war, um in allen Lebenslagen Würde zeigen zu können, der Weisheit besaß und gerecht war, der verdiente es, Maschtar zu werden. All diese positiven Eigenschaften vereinten auch die regierenden Maschtaren in sich, und darum war Gedeon sicher, daß sie sich, wenn er standhaft blieb und sich behaupten konnte, für ihn entscheiden mußten.
Logid aber war der Mann, der ihm bei seinem Kampf den Rücken stärkte. Er teilte mit seinem Pooker einige Geheimnisse, die sie zusammenschweißten. Gedeon hatte diese Situation nicht aus Berechnung angestrebt, aber nachträglich fand er,
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