1781 - Die Nackten und die Seherin
gesagt hatte.
Das war alles schon sehr seltsam. Eine Entscheidung traf sie noch nicht, sie wollte erst mal die Dinge von verschiedenen Seiten aus betrachten.
Zuerst schaute sie sich das Spiel an. Das heißt, die Bilder auf der Schachtel, in der die Karten steckten. Ein Engel war auf der Oberseite zu sehen. Man konnte ihn mit einem Glanzbild vergleichen. Ein pummeliges Geschöpf, bei dem nicht zu sehen war, ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handelte.
Glenda wollte das Spiel schon einstecken, als ihr etwas auffiel. Sie sah es, sie bekam große Augen, sie schüttelte den Kopf und sie stöhnte leise auf.
Jetzt sah sie es erneut, und nun wusste sie, dass sie keiner Täuschung erlegen war.
Der kleine Engel hatte ihr zugelächelt!
***
In diesem Augenblick wusste Glenda Perkins nicht, was sie noch denken sollte. Sie wollte nicht daran glauben, dass ihr der Engel zugelächelt hatte, aber es war tatsächlich der Fall gewesen. Er hatte gelächelt, doch jetzt nicht mehr, wie sie mit einem Blick in sein rundes Gesicht feststellte.
Sie hob den Blick.
Nichts mehr war von der jungen Elisa zu sehen. Sie musste sehr schnell gegangen sein, sodass Glenda keine Chance mehr hatte, sie zu entdecken.
Was tun?
Innerlich war sie ziemlich von der Rolle. Dieses schwache Lächeln des kleinen pausbäckigen Engels hatte sie schon durcheinander gebracht, und jetzt wusste sie nicht mehr so recht, was sie unternehmen sollte.
Am besten gar nichts.
Doch genau das konnte Glenda nicht.
Sie war keine Frau, die bestimmte Dinge auf sich beruhen ließ. Sie war es gewohnt, den Vorgängen auf den Grund zu gehen, und das wollte sie auch jetzt tun.
Elisa hatte von einer Adresse gesprochen, bei der sie zu finden war. Die musste nur gesucht werden, und so drehte und wendete Glenda die Karten.
Beim zweiten Versuch sah sie die Schrift an der Seite.
Die Anschrift war sehr klein geschrieben. Glenda konnte sie trotzdem ohne Sehhilfe lesen, prägte sie sich ein und war bereit, noch einen zweiten Schritt zu gehen, über den sie allerdings erst nachdenken wollte.
War es wirklich gut, wenn sie hinging? Elisa besuchen, ein paar Worte reden, dann wieder verschwinden?
Das konnte hinkommen. Das musste aber nicht so laufen. Die Dinge konnten sich auch ganz anders entwickeln, und zwar nicht eben zu ihren Gunsten.
Falle!
So stand es plötzlich vor ihren Augen. Eigentlich hätte das für einen normal denkenden Menschen gereicht, um die Angelegenheit zu vergessen.
Nicht für Glenda. Sie spürte, dass sie an einem interessanten Punkt angelangt war. Wenn sie jetzt alles aufgab, würde sie einiges verpassen.
Und genau aus diesem Grund tat sie etwas ganz Bestimmtes und wusste auch, dass es richtig war.
Sie holte ihr Handy hervor und rief jemanden an...
***
Es war Sommer, es war warm, es war ein Wetter, das einlud, draußen zu essen.
So war es auch bei mir. Ich wollte nicht in meiner Bude bleiben und war vom Yard aus in die Nähe meiner Wohnung gefahren, wo es einen Pub gab, dessen Wirt die Tische in den begrünten Hof gestellt hatte und dort ein paar Kleinigkeiten zum Essen servierte.
Da es für England bei der EM nichts mehr zu holen gab, hatte es sich schon auf Olympia eingestellt. Die Spiele würden bald beginnen, und dann würde London kochen. Noch herrschte nur der normale Wahnsinn, später aber würde es sich verdichten.
Auf der Karte las ich von einem Salat Olympia. Den bestellte ich. Dazu Wasser und ein Glas Weißwein aus Frankreich.
Der letzte Fall lag hinter mir. Es war der Blick in die Hölle gewesen, der mir nicht geschadet hatte. Etwas Neues lag nicht an, und ich hoffte, dass dies noch einige Tage so bleiben würde. Darauf vertrauen konnte ich jedoch nicht.
Es standen nicht viele Tische draußen, dazu war der Platz zu eng. Ich hatte Glück gehabt und noch einen leeren erwischt. Der Wein wurde gebracht, das Wasser auch, dann erhielt ich Besuch von zwei jungen Frauen, die wissen wollten, ob die beiden Stühle noch frei oder ob sie reserviert waren.
»Sie sind noch frei.«
»Dann dürfen wir uns setzen?«
»Gern.«
»Danke.«
Die beiden ließen sich nieder. Sie waren leicht gekleidet. Ein Freizeit-Outfit. Bequeme Hosen, weit geschnittene Blusen und locker um die Schultern gelegte Sommerpullis.
Der Kellner war sofort zur Stelle. Die beiden bestellten zwei Mixgetränke, die in und von rötlicher Farbe waren.
Sie sahen meine neugierigen Blicke und erklärten, dass der Drink aus Sekt, einem Bitterlikör und Sodawasser bestand.
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