1794 - Die Zombie-Braut
Präsentierteller vor ihm, aber daran dachte er nicht. Er wollte mehr auf sein Gefühl achten und schaute sich immer öfter verstohlen um, weil er den Eindruck hatte, von irgendwoher beobachtet zu werden. Er sah nichts. Nur der Geruch blieb bestehen, doch er hatte sich weiter verflüchtigt. Oder ich habe mich von der Quelle entfernt, dachte er, schlug einen kleinen Bogen und geriet wieder in die Nähe der Kirchenmauer und einer Bank.
Hier nahm er den fauligen Geruch wieder stärker wahr. Er drehte sein Gesicht dem schmalen Bau zu und entschloss sich endlich, ihn als Ziel einzuloggen.
Alles lief perfekt. Es gab keinen Menschen, der ihn aufhalten wollte. Die Hochzeitsgäste zog nichts auf einen Friedhof, sie bereiteten sich auf die Feier vor, und Harry Stahl dachte daran, dass auch er sich bald umziehen musste.
Stattdessen schlenderte er auf die Leichenhalle zu und erreichte sie. Die Tür war natürlich geschlossen. Aber war sie auch abgeschlossen?
Das wollte Harry genau wissen und drückte die schmale Klinke nach unten. Zwei Sekunden später war er schon überrascht, und sein Herz schlug schneller. Er konnte die Tür öffnen und sie nach innen drücken.
Harry überlegte, ob er die kleine Leichenhalle betreten sollte. Er wurde durch den Gestank überzeugt, der ihn hier intensiver traf. Etwas musste in diesem Bau liegen und allmählich vor sich hin faulen.
Ein Organismus? Eine Leiche? Ein Mensch oder ein Tier?
Harry spürte in seiner Magengegend ein schwaches Drücken. Es war wie eine Warnung. Er musste schlucken, hielt dann die Luft an und drückte die Tür weiter auf.
Es gab keine großen Fenster an den Seiten, jedoch genügend kleine, durch die Licht fiel, sodass er sich umschauen konnte.
Das Innere war leer.
Aber warum stank es so?
Harry suchte nach der Quelle. Es war durchaus möglich, dass man hier etwas hingelegt hatte, um es vermodern zu lassen. Da rechnete er mit allem.
Zu sehen war nichts. Weder etwas Totes noch etwas Lebendiges. Der Fußboden war frei, abgesehen von einem alten Kranz, an dem noch verblichene Schleifen hingen.
Und doch stank es.
Wieso?
Er ging weiter. Nur zwei Schritte schaffte er noch. Dann hörte er rechts von sich ein Geräusch, das er nicht einordnen konnte. Es musste im toten Winkel hinter der Tür entstanden sein.
Harry drehte sich nach rechts. Jetzt wollte er alles sehen – und sah nur einen Schatten, der vor ihm in die Höhe stieg. Er hörte noch einen schmatzenden Laut, dann traf etwas seinen Kopf und schickte ihn zu Boden …
***
Braut und Bräutigam waren in das Hotel gegangen und hatten ein Einzelzimmer in einem Anbau angesteuert. Sie hatten es zu der Suite gemietet, denn in ihm wollte sich die Braut in Ruhe umziehen.
Zwischen zwei Türen blieben sie stehen. Maria warf einen Blick auf ihre Uhr. »Ich denke, es wird Zeit für mich. Ich muss langsam ans Umziehen denken.«
»Klar.« Dirk nickte. »Bist du nervös?«
»Kaum, du denn?«
»Ja, das bin ich. Sehr nervös sogar. Hätte ich wirklich nicht von mir gedacht.«
»Und warum?«
Dirk musste lachen. »Du bist gut. Schließlich ist heute unsere Hochzeit. Ein verdammt entscheidender Schritt im Leben. Da ist es ganz natürlich, wenn man nervös ist.«
»Jeder ist eben anders.«
»Bist du denn nicht nervös?«
»Es geht. Ich sehe das eben alles ein wenig lockerer als du. Möglicherweise sind Frauen so.«
»Kann sein.«
Maria stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihrem Freund einen Kuss auf die Lippen.
Er lächelte. »Das tat gut.«
»Bis später dann.« Maria glitt an ihm vorbei und schloss die Zimmertür auf. »Die Nacht verbringen wir dann wieder in unserer Suite. Und wenn du mich das nächste Mal siehst, dann sehe ich ganz anders aus.«
»Ach ja? Wie denn?«
»Dann bin ich deine Braut.«
Er wollte etwas erwidern, aber Maria war schnell in das Zimmer gehuscht und hatte die Tür geschlossen. Er glaubte aber, sie noch sprechen zu hören, was ihn schon etwas verwunderte, aber es konnte ja sein, dass jemand im Zimmer auf Maria gewartet hatte. Ihre Mutter oder Tante, denn beide wollten der Hochzeit natürlich beiwohnen.
Zu Gesicht bekommen hatte Dirk Rossmann einige Leute ihrer Verwandtschaft nur kurz. Für ihn war es nicht weiter tragisch. Mit den Verwandten konnte er sowieso nicht viel anfangen.
Die Mutter hatte er einmal gesehen, den Vater gar nicht. Angeblich war er oft unterwegs.
Dirk verließ das Haus und ging die wenigen Meter zu der kleinen Villa, in dem sich ihre Suite befand. Es
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