18 - Eine Taube bringt den Tod
zweckmäßige Ansammlung von Gebäuden und hatte nichts Malerisches an sich. Die Häuser waren lediglich unschöne, klobige, aber immerhin bewohnbare Hütten.
»Wohin bringst du uns?«, erkundigte sich Fidelma.
»Zur Witwe Aourken«, war die Antwort.
»Und sie ist …?«
»Eine ältere verwitwete Frau. Ihr Mann war, soviel ich weiß, Fischer. Jetzt wohnt sie allein und hat genügend Platz in ihrem Haus.«
»Wir möchten ihr keineswegs Schwierigkeiten bereiten.«
»Das werdet ihr nicht. Sie beherbergt oft genug Reisende in ihrem Heim. Ich glaube, sie wird euch gefallen; sie hat ihre festen Ansichten und weiß sie beherzt zu verteidigen.«
Falls Bruder Metellus damit nur auf ihre körperlichen Kräfte anspielte, so war seine Beschreibung durchaus zutreffend. Aourken war mehr breit als groß. Ihre dicken Arme waren muskulös, und auf ihren Schultern, so schien es Eadulf, hätte sie einen schweren Sack fortschleppen können. Ihre Hände waren doppelt so groß wie seine, und die Erfahrung lehrte ihn, dass sie mit ihrem Händedruck mühelos einen Apfel zu Mus quetschen konnte. Sie hatte ein freundliches Gesicht, die Augen blickten leicht melancholisch und waren von unbestimmter Farbe. Das Haar, das ihr in unordentlichen Zöpfen bis auf die Schultern hing, war weiß und hier und da von dunklen Strähnen durchzogen. Ihre Zähne waren schlecht, doch sie versuchte das Übel mit einem schiefen Lächeln zu verbergen. Sie stand in der Tür ihres einstöckigen Steinhauses und sah ihnen entgegen, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Sei gegrüßt, Bruder Metellus.«
Das war aber auch alles, was Fidelma verstand, denn die Frau redete wie ein Wasserfall. Und wenn sie glaubte, das eine oder andere Wort erhascht zu haben, war die Betonung so anders, dass sie den Sinn nicht recht erfassen konnte. Nachdem Bruder Metellus sie von der Lage der Dinge unterrichtet hatte, wandte sich die Frau Fidelma zu und begann Lateinisch zu sprechen, zögerlich zwar, aber durchaus verständlich und grammatisch korrekt.
»Ich heiße dich willkommen, euch beide heiße ich willkommen.«
»Sei bedankt«, erwiderte Fidelma. »Nur möchten wir dir keine Unannehmlichkeiten bereiten.«
»Bruder Metellus hat mir erzählt, was euch zugestoßen ist. Dem Himmel sei Dank, dass ihr dem Überfall dieser Seeräuber entkommen seid.«
Fidelma horchte auf. »Weißt du mehr über diese Banditen?«
Die Frau breitete die Hände aus. »An der Küste hier sind Untaten von Seeräubern nichts Neues. Aber in jüngster Zeit sind selbst Bauernhöfe in Küstennähe geplündert worden, und immer von der See her.«
»Du sprichst ein vorzügliches Latein«, mischte sich Eadulf ein.
Aourken schmunzelte mit schiefem Mund. »Ich habe viele Jahre dem Glauben gedient. Dann begegnete ich meinem inzwischen verstorbenen Mann, und der überzeugte mich, lieber ihm als dem Kloster zu dienen. Es ging uns gut, Gottes Segen ruhte auf uns. Betrachtet mein Haus als euer Haus. Ich will gern alles tun, damit ihr euch bei mir wohlfühlt, bis ihr mit Biscam, dem Kaufmann, weiterzieht.«
»Vielen Dank für dein gastfreundliches Angebot«, entgegnete Fidelma liebenswürdig.
»Schon gut. Kommt herein, ich zeige euch, wo ihr schlafen werdet, und vielleicht möchtet ihr etwas essen und einen Becher Cidre trinken. Ich bin sicher, Abt Maelcar hat euch nichts angeboten.«
»Du scheinst ihn gut zu kennen«, meinte Fidelma lachend.
»Ich kenne Maelcar, seit er von Brekilien hierherkam. Als wir jung waren, haben wir zusammen gelernt. Gemeinsam beschlossen wir auch, uns der Gemeinschaft in der Abtei des Gildas anzuschließen. Damals war es dort so, wie es in anderen Klöstern auch heute noch ist. Wir waren eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, die dem Glauben dienten und ihre Kinder in dem Sinne erzogen. Ich kannte Maelcar schon, bevor er anfing, die Legenden über Martin von Tours zu lesen und Geschichten über die geistlichen Brüder in den Wüsten im Osten und anderen unzugänglichen Orten in sich aufzunehmen. Darin ging es um Mönche, die Einsiedler geworden waren und sich dem Zölibat verschrieben hatten. Er war von deren Leben so angetan, dass er sich entschied, ihrem Beispiel nachzueifern.«
»Eine Wüste im Osten ist die Abtei nun gerade nicht«, bemerkte Fidelma trocken. »Doch von diesem Brekilien habe ich schon gehört. Wo liegt das eigentlich?«
»Nach Norden zu, es gehört noch zu unserem Königreich. Brekilien ist ein ausgedehntes Waldgebiet. Maelcar ist dort aufgewachsen, und
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