18 - Eine Taube bringt den Tod
dass bald alle Kirchen in diesen westlichen Landen eines Sinnes mit Rom werden und jede Abtei und jedes Kloster die Regula des heiligen Benedikt befolgt. Vor wenigen Tagen erst habe ich Nachricht von den Beschlüssen des Konzils von Autun erhalten, die besagen, diese Regula Benedicti ist fortan in jeder klösterlichen Gemeinschaft zu verwirklichen. Jede andere Lebensweise führt zu Zügellosigkeit und Verderbtheit. Wenn unsere Kirchen hier nicht von ihren althergebrachten Bräuchen ablassen, wird ihnen kein Lohn im Himmel zuteil.«
Fidelma musste heftig schlucken, doch Eadulf lenkte rasch ein. »Jedes Schaf findet den Weg zum Hirten auf seine Weise«, meinte er leichthin und lächelte. »Es dürfte von Interesse sein, dass wir zu den Delegierten zum Konzil von Autun gehörten«, ergänzte er und überging dabei Fidelmas warnendes Stirnrunzeln.
»Ihr wart unter den Delegierten?« Der Abt machte große Augen. »Das war doch ein Konzil der Bischöfe und Äbte. Wie konntet ihr dazugehören?«
»Schwester Fidelma hatte den Auftrag, dem Abt von Imleach, dem ranghöchsten Bischof im Königreich ihres Bruders, als Rechtsberaterin zur Seite zu stehen«, erläuterte Eadulf.
Zum ersten Mal während dieser Unterredung räusperte sich Bruder Metellus, verneigte sich ehrerbietig vor dem Abt und erklärte: »Schwester Fidelma ist Anwältin bei den hohen Gerichten ihres Landes.«
»Wann wird Biscam, der Kaufmann, hier eintreffen?«, fragte Fidelma laut und unvermittelt, denn ihr lag daran, das Gespräch wieder auf das vordringliche Problem zu bringen.
»Biscam? Morgen oder übermorgen müsste er hier sein. Er und seine Söhne treiben schon seit Jahren mit uns Handel.«
»Ich denke, wir sollten deine Zeit nicht länger in Anspruch nehmen, Abt Maelcar.« Fidelma schaute sich um und tat, als bemerkte sie ihre Umgebung erst jetzt. »Prächtig sieht es hier aus.«
Der Abt zog die Brauen hoch, verwundert, wie rasch sie das Thema wechselte. »Diesen Flecken Erde hat der heilige Gildas selbst gewählt.«
»Euer Kräutergarten duftet herrlich, und alles ist so wunderbar gepflegt.«
»Gott segnet die Hände unserer Brüder, die sich ums Gedeihen der Pflanzen mühen.«
»Vorhin ist eine Katze hier herumgestrichen. Ich nehme an, ihr haltet sie euch, um Schädlinge zu vertreiben, die oft genug einen Garten befallen.«
Es war offensichtlich, dass Abt Maelcar mit der Bemerkung nichts anzufangen wusste. »In der Abtei gibt es keine Katze«, entgegnete er knapp.
Fidelma tat überrascht. »Nein? Wirklich nicht? Ihr habt hier keinen großen schwarzen Kater?«
»In der Abtei gibt es weder Kater noch Katzen.«
»Aber ich habe doch eine durch den Garten streifen sehen.«
»Dann muss es eine aus dem Dorf sein. Und jetzt …« Der Abt beendete den Satz nicht und deutete damit an, dass er sie entließ.
»Natürlich. Verzeih. Wir haben dich schon zu lange von deinen Pflichten abgehalten.«
»Gewiss begegnen wir uns noch einmal, bevor ihr unsere Gemeinde verlasst«, sagte der Abt, wandte sich um und schritt auf das ebenerdige Gebäude zu.
Bruder Metellus hatte schweigend dagestanden, den Kopf geneigt, die Hände vor sich gefaltet. Er atmete auf und rührte sich, sobald der Abt gegangen war.
»Er hat mir aufgetragen, für euch zu sorgen, bis Biscam hier ist«, äußerte sich Metellus verdrossen. »Wo ich doch gehofft hatte, bei dem günstigen Wetter zu meiner Insel zurückzusegeln.«
Fidelma konnte ein verschmitztes Lächeln bei seinem Aufbegehren nicht unterdrücken. »Ein wahrhaft freundlicher Mensch ist der Abt wohl nicht. Er hat so etwas an sich …«, sie endete mit einem Achselzucken.
»Er ist überzeugt, der einzig richtige Weg, sich Gott zu nähern, besteht darin, sich streng ans Zölibat und die Regel des heiligen Benedikt zu halten. Die Art, wie religiöses Brauchtum und Gottesdienst in den Kirchen der Britannier und in eurem Land gefeiert werden, ist ihm verhasst. Das müsst ihr ihm nachsehen.«
»Wir sind ihm zu Dank verpflichtet, und vor allem dir, Bruder Metellus, für alles, was du für uns getan hast«, beeilte sich Eadulf zu beteuern.
Bruder Metellus erwiderte darauf nichts, sondern wies nur mit einer Kopfbewegung zur Nordseite der Umbauung. »Das Dorf liegt hinter dem Waldstück da.«
Ein schmales Waldgebiet trennte die Abtei von der kleinen Ansiedlung. Sie befand sich oberhalb der sandigen Bucht, in der ihr Retter Fidelma und Eadulf an Land gebracht hatte. Das Dorf war eine
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