18 - Orangen und Datteln
weiter gehen, als ihr eure Speere werfen könnt? Da wird mein Sihdi mit seinem Henrystutzen helfen müssen.“
„Wie wird er das tun?“
„Das sollst du sogleich sehen“, fiel ich ein, indem ich mein Pferd anhielt. „Laß deine unbewaffneten Frauen, Knaben und Mädchen geradeaus weiterreiten, die Männer bleiben hier mit uns halten. Wir nehmen die Baqqara auf uns.“
Die Genannten ritten davon; die zwanzig Bewaffneten blieben halten. Ich stieg vom Pferd und nahm den Stutzen zur Hand. Sobald die Baqqara in Schußweite gekommen waren, zielte ich und gab schnell hintereinander fünf Schüsse ab. Die fünf vordersten Pferde stürzten, auf die Reiter hatte ich nicht zielen wollen, denn Menschenblut vergießt man nicht ohne große Not. Die Verfolger ritten dennoch weiter. Fünf oder sechs fernere Schüsse warfen ebenso viele Pferde nieder. Da hielten sie nun doch an. Sie erhoben ein wütendes Geheul und berieten sich. Ich füllte die Patronenkugel wieder und hörte dabei, daß der Name Selim Mefarek, den ich mir beigelegt hatte, einigemal zornig genannt wurde. Dann kam der ‚Vater der Liebe‘, welcher bei ihnen war, langsam auf uns zugeritten und gab mit der Hand das Zeichen, daß er als Unterhändler komme. Wir ließen ihn nahe heran.
„Was soll das bedeuten?“ fuhr er mich zornig an. „Erst kaufst du die Sklaven, ohne sie sofort zu bezahlen, und dann befreist du sie und stiehlst noch unsere Pferde dazu!“
„Du irrst“, antwortete ich lächelnd: „Selim Mefarek hat sie gekauft, ich nicht.“
„Du bist doch Mefarek!“
„Nein; der war ich gestern bei dir. Ich aber bin der deutsche Kara Ben Nemsi, und hier neben mir siehst du meinen Hadschi Halef Omar. Wir sollen heut, ehe die Sonne untergeht, in der Hölle sein. Wißt ihr vielleicht, Mister Gibson, wo ihr euch da befinden werdet?“
Er sah mich einige Augenblicke lang betroffen an; dann ging eine plötzliche, gewaltige Bewegung über sein Gesicht. Er stieß einen grimmigen Fluch aus und fügte hinzu:
„Dieser deutsche Hund also! Da mußt du erst recht zur Hölle und zwar sofort!“
Er legte blitzschnell sein Gewehr auf mich an; noch schneller aber krachte es hinter mir; das Gewehr glitt ihm aus den Händen; er wankte und fiel aus dem Sattel zur Erde nieder – Abu djom hatte ihn erschossen, ihn grad ins Herz getroffen.
Als die Baqqara dies sahen, sprengten sie mit gellendem Geschrei wieder auf uns ein; sie kamen nicht weit; mein Stutzen räumte unter ihren Pferden auf; sechs, acht, zehn, zwölf stürzten; das half; die auf ihnen gesessen hatten, rannten heulend davon, und die Reiter kehrten um und folgten ihnen. Wir waren sie nun sicher los. Das verdoppelte die Kampflust der Nuehrs; sie wollten ihnen nach; es gelang mir aber, sie davon abzuhalten. Ich untersuchte den ‚Vater der Liebe‘; er war tot. Ich will ihm wünschen, daß er nicht dahin gegangen ist, wohin, wie er gestern abend sagte, ich geschickt werden sollte. Wir ließen ihn für die Baqqara, welche später jedenfalls zu ihm zurückkehrten, liegen und ritten weiter.
Am Abend kamen wir in Qaua an, wo die Beamten sich der Nuehr Eliab annahmen. Sie sind, wie ich später erfuhr, glücklich am Bahr el Ghasal angekommen und haben dann auf einem siegreichen Kriegszug die Baqqara gezwungen, den hohen Blutpreis für die bei dem Sklavenzug Ermordeten zu zahlen. Es ist seit jener Zeit den Baqqara nicht wieder eingefallen, eine Ghasuah gegen die Nuehrs zu unternehmen. – – –
FÜNFTES KAPITEL
Nûr es Semâ – Himmelslicht
Nûr esch Schems
Es war Mitte Dezember. Wir kamen von Bagdad herauf und wollten meinen Freund Amad el Ghandur, den Scheik der Haddedihn-Araber vom großen Stamm der Schammar besuchen. Wenn ich sage ‚wir‘, so ist damit außer mir nur noch mein kleiner, wackerer und treuer Diener Hadschi Halef Omar gemeint. Wir waren vor Jahren bei den Haddedihn gewesen, hatten ein gutes Andenken zurückgelassen und wußten, daß sie uns mit großer Freude bewillkommnen würden.
Es war eigentlich ein kleines Wagnis, daß wir zwei es unternahmen, fast das ganze Mesopotamien so allein der Länge nach zu durchreiten. Die freien Ebenen, welche zwischen dem Euphrat und Tigris liegen, sind von vielen Araberstämmen bewohnt, welche nicht nur sich gegenseitig immerfort befehden, sondern auch mit der türkischen Obrigkeit in stetem Hader liegen und jeden fremden Reisenden und sein Eigentum als gute Beute betrachten. Aber es war uns trotzdem nicht bange. Wir hatten grad in dieser
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