18 - Orangen und Datteln
dich heimlich aufsuche, um dir zu sagen, was ihr tun sollt.“
„Sihdi, das ist gefährlich! Willst du mich nicht lieber mitnehmen?“
„Nein, du mußt bei den Nuehrs bleiben, weil ich mich sonst nicht auf sie verlassen kann.“
„Aber wenn dir ein Unglück geschieht!“
„Sorg dich nicht um mich. Du kennst mich ja und weißt, daß ich mich zu bewahren verstehe.“
„Das weiß ich, doch kann der Mutigste und Klügste sich verrechnen. Wehe aber dann diesen Baqqara; sie würden es zu büßen haben!“
Zu unseren schwarzen Gefährten zurückgekehrt, vertauschte ich mein Pferd mit einem von ihnen und mein Gewehr mit der langen Flinte des Anführers. Man sollte mich nicht erkennen, denn es war anzunehmen, daß der zurückgekehrte Baqqara eine Beschreibung unserer Bewaffnung und Pferde gegeben hatte. Ihn auf der Mischrah zu treffen, brauchte ich nicht zu besorgen, da er jedenfalls mit nach der Insel Aba geritten war.
Nachdem ich Halef und den Nuehrs gesagt hatte, wie sie sich in den verschiedenen möglichen Fällen verhalten sollten, ritt ich fort, aus dem Wald hinaus, zwischen den Büschen hindurch und dann auf die Mischrah zu. Als ich dieselbe erreichte, tauchte eben die Sonne hinter dem westlichen Horizont hinab.
Ich sah zunächst die Weideplätze der Pferde, Rinder und Schafe liegen und merkte mir besonders die ersteren genau, da wir später für die befreiten Gefangenen Pferde brauchten. Die Mischrah mochte gegenwärtig von vielleicht zweihundert Menschen bewohnt werden. Die Kinder kamen schreiend auf mich zugerannt; die Weiber sahen neugierig aus den Türöffnungen, und die Männer traten zusammen, um mich mit erwartungsvollen Blicken zu empfangen.
„Sallam aaleïkum!“ grüßte ich mit lauter Stimme. „Welcher von euch ist der Scheik dieses Lagers?“
„Der Scheik ist nicht hier“, antwortete ein alter Graubart. „Was willst du von ihm?“
„Ich bin Selim Mefarek, der Händler aus Tomat am Seditfluß, und bitte, diese Nacht hierbleiben zu dürfen.“
„Womit handelst du?“
„Mit allen Waren, die es gibt, und welcher Farbe sie auch seien.“
Mit diesen Worten spielte ich auf Sklaven an.
„Auch schwarz?“ fragte der Alte, indem er das rechte Auge bezeichnend zukniff.
„Ja, das am liebsten.“
„So bist du uns willkommen und sollst beim vornehmsten Mann des Lages wohnen. Steig ab; ich werde dich zu Abu el mawadda führen.“
Das war es ja, was ich gewünscht hatte: ich sollte bei dem Missionar bleiben! Natürlich war ich höchst neugierig, ihn zu sehen. Er bewohnte eine ziemlich große, aus Nilschlamm erbaute Hütte, unter deren Eingang er mir entgegentrat. Welch ein langer, hagerer Mensch war das, und welche Salbung lag auf seinen harten, gemütlosen Zügen. Er war in einen schwarzen Burnus gekleidet, sah mich mit scharfen Augen prüfend an und sagte, als der Alte ihm meinen Namen, Beruf und Wunsch mitgeteilt hatte, in schlechter arabischer Sprache:
„Du bist mir willkommen, Selim Mefarek. Tritt zu mir ein! Vielleicht ist dein Kommen von Vorteil für uns und auch für dich.“
Als wir uns miteinander allein in der Hütte befanden, ließ er die Schilfmatte, welche die Tür bildete, herab und brannte eine Tonlampe an, welche mit Sesamöl gespeist wurde.
Beim Schein derselben sah ich an den Wänden ein Kruzifix und verschiedene schlechte Bilder aus der heiligen Geschichte. Wir setzten uns nieder. Er gab mir eine Pfeife mit Tabak, brannte sich auch selbst eine an und begann dann ein Gespräch, dessen Zweck war, mich vollständig auszuhorchen. Es gelang mir, ihn ebenso vollständig zu täuschen. Er wurde völlig überzeugt, daß ich ein Sklavenhändler sei, und war schließlich so vertrauensvoll, daß er mir sagte:
„Du bist der Mann, der grad jetzt für uns paßt. Wir haben achtundzwanzig Sklaven gemacht, welche wir verkaufen wollen.“
„Herr“, antwortete ich erstaunt, „man nennt dich den Vater der Liebe und sagt, du seist Missionar. Ich denke, Christen dürfen nicht Sklaven machen und verkaufen!“
Er lachte klanglos vor sich hin und meinte:
„Die Schwarzen sind keine Menschen wie wir; sie denken nicht und fühlen nichts. Es ist eine Wohltat für sie, Sklaven zu sein. Ja, ich bin ein Christ, aber nicht ein Missionar. Ich lehre zwar, aber nur zum Schein, um die Häscher zu täuschen, welche den Sklavenhändlern aufpassen. Keiner von ihnen wird glauben, daß da, wo ein Missionar wohnt, Sklaven gemacht werden. Seit ich hier bin, ist den Baqqara jeder Fang gelungen, und
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