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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihnen in Fehde leben?“
    „Nein.“
    „Sie ist angesagt, aber noch nicht ausgebrochen. Die Anezeh haben, weil man ihnen so viele Tiere genommen hat, sich an den unseren vergriffen und wollen sie nicht herausgeben. Wir sind viel stärker und mächtiger als sie und werden sie uns wiederholen. Wann ist die Frist des Gefangenen abgelaufen?“
    „Am fünften Tag des Ssafar.“
    „So bald? Da müssen wir uns beeilen! Ich werde noch heute Boten aussenden, um die Krieger aller Haddedihn-Abteilungen schnell zusammenrufen zu lassen. Dann brechen wir nach dem Felsen Wahsija auf.“
    „Lagern die Anezeh an diesem Ort?“
    „Ja.“
    „Ich hörte von einem berühmten Einsiedler, den es dort geben soll. Kennst du ihn?“
    „Ich war noch nie beim ihm, ich habe ihn noch nie gesehen. Es hat ihn überhaupt noch niemand gesehen außer den beiden Knaben, deren Mutter am Fuß des Felsens wohnt. Diese steigen täglich zweimal, des Morgens und kurz vor Abend, zu ihm hinauf, um die heiligen Worte zu vernehmen, welche sie den Gläubigen, die unten darauf warten, bringen sollen. Es kommen Pilger aus allen Gegenden, welche ihm ihre Anliegen durch die Knaben anvertrauen und dann seine Antwort erhalten. Niemand, selbst kein Räuber und kein Bösewicht wagt es, gegen die Weisungen zu handeln, welche er von dem Einsiedler erhält. Du wirst seine Zelle von weitem sehen, aber hinauf zu ihm steigen und ihn sehen darfst du nicht. Wir hätten mit der Bestrafung der Anezeh noch einige Zeit gewartet; da aber du gekommen bist, so werden wir gleich zwei Gazellen mit einem Schuß erlegen, nämlich diese Räuber züchtigen und diesen Wikrama befreien. Meinst du, daß wir Kundschafter aussenden?“
    „Ja, wir müssen erfahren, ob sie sich auch wirklich am Felsen Wahsija befinden, und sie, wenn es möglich ist, einschließen. Auch müssen diese Kundschafter dafür sorgen, daß ihnen unser Zug verborgen bleibt.“
    „Sobald wir jetzt das Mahl beendet haben, werde ich Männer aussuchen, welche sich am besten dazu eignen, und ihnen unsere schnellsten Pferde geben.“
    Schon nach einer Stunde ritten diese Kundschafter davon und mit ihnen die Boten, welche die Krieger der anderen Abteilungen herbeiholen sollten. Niemand war froher über diese Eile als Alam, dem die Worte des Scheiks große Angst um das Leben seines Vaters eingeflößt hatten.
    Schon am nächsten Abend brannten draußen vor dem Lager viele Feuer, um welche sich über sechshundert wohlbewaffnete Haddedihn versammelt hatten, und am darauffolgenden Morgen wurde der Zug angetreten. Am Mittag kam einer der Kundschafter zurück und meldete, daß die Anezeh ungefähr dreihundert erwachsene Männer stark mit ihren Frauen und Kindern, Zelten und Herden am Felsen lagerten und wahrscheinlich keine Ahnung davon hätten, daß die Haddedihn so schnell zur Rache aufgebrochen seien. Sie wurden von den anderen Kundschaftern, natürlich ohne daß sich dieselben sehen ließen, von weitem beobachtet.
    Aus dieser Mitteilung ging hervor, daß wir ihnen doppelt überlegen waren. Dazu kam, daß es bei uns nur Kombattanten, bei ihnen aber Frauen und Kinder gab, welche, wenn sie eingeschlossen wurden, eine außerordentlich störende Berücksichtigung erforderten.
    Am nächsten Morgen waren wir so weit gelangt, daß wir anhalten mußten, denn der Parsi mußte vorangesandt werden, wenn sein Vater gerettet werden sollte. Taten wir das nicht, so stand mit Sicherheit zu erwarten, daß sein Vater bei unserm Angriff ermordet wurde. Es verstand sich von selbst, daß ich mit ihm ging, denn ich hatte es ihm versprochen. Allein hätte er sich wohl kaum zu ihnen getraut. Mein wackerer, kleiner Halef ließ sich auch nicht zurückhalten; er begleitete uns. Den Führer des Parsi aber nahmen wir nicht mit; er konnte uns nichts nützen.
    Amad el Ghandur sah es gar nicht gern, daß ich fortging; er mußte sich aber in meinen Willen fügen. Ich schloß mich übrigens dem Parsi nicht bloß wegen des Versprechens an, welches ich ihm gegeben hatte, sondern ich verfolgte noch eine andere Absicht dabei. Die Haddedihn wollten sich unbedingt rächen; sie waren zum Überfall, zum Kampf fest entschlossen; ich aber glaubte, wenn ich mich bei den Anezeh befand, auf irgendeine Weise das Vergießen von Menschenblut verhindern zu können.
    Wir verließen also zu dreien den Ort, an welchem die Freunde lagerten, natürlich nicht, ohne daß ich mit Amad el Ghandur zuvor den Plan, welcher nach meiner Ansicht auszuführen war, genau besprochen hatte.

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