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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und um dieselben weideten ihre Herden, zur Hälfte zusammengeraubt.
    Der Wahsija (Einsame) war eigentlich kein Berg, sondern nur ein Fels zu nennen; aber er hatte unten einen Umfang von sicher einer Viertelstunde und eine Höhe von wenigstens achtzig Ellen. In der Zeit von Jahrhunderten hatten sich Sträucher und sogar Bäume angesetzt, welche jetzt grünten; zwischen ihnen führte, von Absatz zu Absatz, ein spiralförmig sich rundum drehender Pfad hinauf. Oben, nicht ganz auf der Höhe, öffnete sich eine Art Höhle, vor der ein Nadelbaum stand, von welcher Art, das war von unten nicht zu erkennen. Da, wo der Weg auf die Ebene mündete, stand unten eine kleine Hütte, in welcher die schon erwähnte Witwe mit den beiden Kindern wohnte. Sie ernährte sich von den Gaben der Pilger, welche zu dem Einsiedler kamen.
    Wir wurden von einigen Beduinen angeredet, welche uns in barschem Ton nach unserem Begehr fragten. Ich verlangte, zu dem Scheik geführt zu werden, und sie taten es. Er saß in seinem Zelt, erwiderte unseren Gruß kaum und hieß uns auch nicht setzen. Ich aber nahm neben ihm Platz, winkte Halef und Alam, sich auch zu setzen und fragte: „Du hast einen Mann bei dir, welcher Wikrama heißt?“
    „Was wollt ihr von ihm?“ fragte er.
    „Wir wollen das Lösegeld zahlen.“
    „Das ist sein Glück, denn morgen ist der letzte Tag! Gebt es her!“
    „Er befindet sich hier?“
    „Ja. Gebt es her!“
    „Wir sprechen ebenso kurz wie du: Gib ihn her!“
    „Erst das Geld, und dann den Mann!“
    „Erst den Mann, und dann das Geld! Man bezahlt nie eher, als bis man gesehen hat, was man kauft.“
    „Ich bin kein Händler und kein Verkäufer, sondern der Scheik der Anezeh. Wer aber bist du, und wie ist dein Name?“
    „Man nennt mich Kara Ben Nemsi und ich habe –“
    Er sprang rasch auf und unterbrach mich:
    „Kara Ben Nemsi? Bist du jener Christ, welcher für die Haddedihn die Schlacht im Tal der Stufen gewonnen hat?“
    „Ja.“
    „So verfluche dich Allah tausendmal! Wir waren mit den Abu Hammed verbündet und kamen zu spät, sie zu retten; jetzt aber wirst du dafür büßen müssen. Ihr seid gefangen und werdet nicht entkommen!“
    Mit diesen Worten sprang er zum Zelt hinaus. Das war eine Wendung, die ich nicht erwartet hatte. Der Mensch war ganz des Teufels; ich hatte ihm ja gar nichts getan! Draußen erscholl seine Stimme; er rief seine Leute zusammen. Halef, der Kleine, der Tapfere, fragte mutig: „Sihdi, wir wollen zwanzig oder dreißig von ihnen niederschießen und dann fortreiten?“
    „Um Allahs willen, nur das nicht!“ rief der Parsi ängstlich. „Wir sind alle verloren!“
    „Hier würde dir allerdings kein Amulett helfen“, antwortete ich. „Aber sorge dich nicht. Dir geschieht nichts!“
    Ich schlug die Matte zurück und stellte mich mit Halef unter den Eingang des Zeltes. Die Anezeh waren alle beisammen; sie standen Kopf an Kopf, einige Schritte davor der Scheik. Es war laut zugegangen, aber als sie mich sahen, wurde es ruhig. Ich hatte den Stutzen in der Rechten und einen von meinen zwei Revolvern in der Linken und fragte mit lauter Stimme:
    „Du betrachtest uns also als deine Gefangenen, o Scheik der Anezeh?“
    „Ja“, antwortete er. „Wag' einen einzigen Schritt, so bist du eine Leiche!“
    „Du scheinst von mir gehört zu haben; hat man dir auch erzählt, daß ich mit dieser Zauberflinte stundenlang fortschießen kann, ohne daß ich zu laden brauche!“
    „Wahajati, el Baruda el Dschehennem – bei meinem Leben, die Höllenflinte!“ rief er erschrocken aus, indem er zurückfuhr.
    „Und hier mit diesen kleinen Pistolen schieße ich ebenso viele Male. Paß auf! Sechs Schüsse in den Knopf des Sattels, der am Nebenzelt hängt!“
    Ich gab die Schüsse, welche allgemeines Erstaunen erregten, ab und fuhr fort:
    „Du siehst, ich könnte trotz deines Verbotes gehen, denn ehe einer von euch sein Gewehr gegen mich erhöbe, wäre er tot und zehn andere dazu. Und ich bin nicht allein; meine Gefährten schießen auch. Aber es fällt mir nicht ein, vor euch zu fliehen. Ich bin gekommen, Wikrama zu holen, und ich werde mich nicht ohne ihn entfernen. Wir bleiben hier in deinem Zelt, bis du dich besonnen hast. Doch merkt euch dabei folgendes: Ich zähle langsam bis zwanzig. Wer dann noch sich weniger als fünfzig Schritte von diesem Zelt befindet, bekommt meine nie fehlende Kugel in den Kopf. Ich schwöre es beim Barte eures Propheten!“
    Ich trat mit Halef in das Zelt zurück und ließ

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