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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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derselben Weise wie vorhin zurück. Ich wußte nun wirklich, daß es das Zelt des Scheiks gewesen war. Diesmal hatte ich mehr Glück. Es bestand bloß aus dem Selamlik (Empfangszelt); die Abteilung für die Familie bildete ein eigenes, danebenstehendes Zelt. Leider saß ein Wächter davor, jedenfalls weil sich unsere Sachen in demselben befanden. Dieser Mann war vorhin über mich weggestürzt.
    Ich zog auch hier einen Pflock aus der Erde; dann kroch ich hinein und tastete im Finsteren um mich, so vorsichtig und leise, daß der Wächter nichts hörte. Da lagen unsere Sättel und dabei alle unsere Waffen. Ich fühlte meinen Stutzen, nahm ihn und kroch wieder hinaus.
    Jetzt war wenigstens ich auf alle Fälle gerettet. Das Gewehr in meiner Hand gab mir das Gefühl vollständiger Sicherheit. Ich kehrte in unser Zelt zurück und band die anderen los. Sie mußten mir folgen. Da sie außer Halef das Anschleichen nicht geübt hatten, krochen wir nur langsam vorwärts. Am Zelt angekommen, schob ich mich zunächst allein hinein; die anderen mußten warten. Ich kroch leise, leise quer durch den kleinen Raum bis vor zum Eingang und schob das Tuch, welches die Tür bildete, ein wenig zur Seite. Da saß der Wächter, welcher stumm gemacht werden mußte, mir grad handgerecht so nahe, wie ich es nur wünschen konnte. Ich nahm ihn von hinten mit der Linken bei der Kehle, drückte dieselbe fest zusammen und schlug ihm die rechte Faust zwei-, dreimal so gegen die Schläfe, daß er sich streckte. Er war besinnungslos.
    Nun konnten die anderen herein. Wir banden den Wächter und zwangen ihm einen Zipfel seines Kopftuches als Knebel in den Mund. Dann nahmen wir unsere Sachen, wobei wir uns durch den Tastsinn leiten lassen mußten. Jetzt wurde sehr einfach die hintere Zeltwand von oben bis unten zerschnitten, damit wir mit den Sätteln leicht hinauskonnten. Der Parsi und sein Begleiter hatten freilich viel zu tragen, drei Sättel und einige Pakete Waren, welche sie auf dem Saumpferd mit sich geführt hatten, um, da Alam das Lösegeld nicht ganz besaß, die Anezeh vielleicht mit diesen Handelsgegenständen zu befriedigen. Das erschwerte unser Fortkommen, doch halfen ich und Halef mittragen, und so kamen wir glücklich und unbemerkt zum Lager hinaus.
    Nun aber Pferde. Es war gar nicht notwendig, daß wir grad die unserigen bekamen. Heut gegen Abend, als wir uns dem Zeltlager näherten, hatten wir gesehen, auf welcher Seite desselben die Pferde weideten. Dorthin trugen wir unsere Sachen, legten sie ins Gras und dann ging ich zunächst rekognoszieren.
    Die Hunde hatte ich nicht zu fürchten, da dieselben bei den Schafen und Ziegen zu sein pflegen. Ich kam an den Kamelen vorüber; dann sah ich Pferde im Gras liegen. Auf dem Bauch kriechend, bewegte ich mich weiter. Da lag ein Hirte, den Ellbogen auf die Erde gestemmt und den Kopf in die Hand gelegt. Ich machte einen Bogen, um von hinten an ihn zu kommen und nahm ihn dann beim Hals. Der junge Mensch war schon vor Schreck halbtot. Ich setzte ihm das Messer auf die Brust, ließ ihm Luft, leise reden zu können, und sagte:
    „Sprich um Allahs willen nicht laut, sonst ersteche ich dich! Sagst du eine Lüge, so bekommst du auch das Messer! Wie viele Hirten sind hier bei den Pferden?“
    „Nur ich“, stieß er zitternd hervor.
    „Steh auf, und komm mit mir! Wenn du still bist, wird dir nichts geschehen.“
    Er gehorchte. Ich hielt ihn fest und brachte ihn zu den Gefährten, wo er mit seinem eigenen Gürtel gebunden wurde. Der Parsi und dessen Diener mußten ihn bewachen; ich aber ging mit Halef, fünf Pferde zu holen. Das war in kurzer Zeit geschehen. Wir sattelten und zäumten sie auf, knebelten den Hirten, so daß er nicht gleich nach unserer Entfernung rufen konnte, stiegen auf und ritten so schnell davon, wie die Dunkelheit es gestattete.
    Zunächst sagte keiner ein Wort; aber als wir uns weit genug entfernt hatten, rief Halef im Ton der Erleichterung aus:
    „Lob und Preis sei Allah, der uns errettet hat! Sihdi, wir waren dem Tod verfallen, denn die Krieger der Abu Hammed hätten uns nach ihrer Rückkehr ganz gewiß ermordet.“
    „Nein, es war keine Gefahr vorhanden“, behauptete sonderbarerweise der Parsi.
    „Nicht?“ fragte der kleine Hadschi ganz erstaunt.
    „Nein, denn ich habe meine beiden Talisman bei mir. Zwar hat sich der Talisman esch Schems, der Sonne, diesmal nicht bewährt, dafür aber hat der andere, der Talisman el Hilal, des Halbmondes, um so besser seine Pflicht getan.

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