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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ich stehe im Nûr esch Schems und im Nûr el Hilal, im Licht und Schutz der Sonne und im Licht und Schirm des Halbmondes; mir kann also nichts geschehen und euch auch nicht, weil ihr euch bei mir befindet.“
    „Wenn aber hier mein Sihdi nicht gewesen wäre, so hätte es für uns keine Rettung gegeben“, wendete Halef eifrig ein. „Und meinst du, daß er sich von deiner Sonne oder von deinem Halbmond kommandieren läßt? Er ist ein Christ und lebt in einem anderen Licht, als das deinige ist. Es ist auch das meinige geworden; Allah und dem Propheten sei Dank dafür!“
    Er dankte also dem ‚Propheten‘ dafür, daß er innerlich ein Christ geworden war! Das durfte man aber dem kleinen, wackeren Kerlchen nicht übelnehmen.

Nûr es Semâ
    Die Anezeh sind einer der ältesten arabischen Nomadenstämme. Man sagt, sie seien Nachkommen des großen Stammes der Rebija, der schon vor Mohammed im südlichen Nedschd wohnte. Einige Zweige sind im nördlichen Nedschd verblieben; andere wohnen im Hedschaz, und außerdem habe mehrere Abteilungen ihre Weiden in der Nähe des Dschebel Schammar. Diese letzteren sind sehr raubsüchtig und dehnen ihre Beutezüge oft bis weit hinein nach Mesopotamien aus. Ihnen war Wikrama, der Vater unseres Parsi Alam, in die Hände gefallen.
    Ich war der Überzeugung, daß es dem Sohn nicht gelungen wäre, seinen Vater zu befreien, selbst wenn er das ganze verlangte Lösegeld und nicht nur einen Teil desselben besessen hätte. Diese habsüchtigen Leute pflegten zwar das Lösegeld zu nehmen, aber, anstatt dann den Betreffenden freizugeben, eine neue Forderung zu stellen. Alam war überhaupt nicht der Mann dazu, mit diesen Beduinen in der Weise zu verkehren, wie es nötig gewesen wäre, wenn er seinen Zweck erreichen wollte.
    Von einem Einsiedler auf dem Wahsijafelsen hatte ich bei meinem früheren Hiersein nichts gehört. Dieser einsame Felsen liegt südwärts von den Sindscharbergen. In den Ortschaften der letzteren gibt es auch Christen. War es vielleicht ein christlicher Einsiedler? Kaum möglich, denn ein solcher wäre doch nicht, noch dazu in so wenigen Jahren, bei der mohammedanischen Bevölkerung bis hinab nach Bagdad so berühmt geworden. Und da er eine solche Macht selbst über die diebischen Anezeh, die doch Moslimin sind, ausüben sollte, so war er jedenfalls Moslem, wahrscheinlich einer jener frommen Asketen, welche im nordwestlichen Afrika Marabus genannt werden.
    Nach unserem Zusammentreffen mit den Abu Hammed waren einige Tage vergangen. Wir befanden uns im Gebiet von Mossul, freilich in der Steppe, dem Aufenthalt der Beduinen, wohin die Macht des Mutessarif von Mossul kaum zu dringen vermag. Wir hatten gestern zwei Obeïde-Araber getroffen, welche jetzt mit den Haddedihn befreundet waren, und von diesen erfahren, wo die letzteren zu suchen seien. Heute nun näherten wir uns den Weiden derer, welche wir besuchen wollten.
    Schon gegen Mittag sahen wir die Steppe wie abgemäht, ein Zeichen, daß die Haddedihn mit ihren Herden erst vor ganz kurzem hier gewesen und, wie die Spuren zeigten, langsam nach Norden gezogen waren. Dann, kurz nach Mittag, bemerkten wir die ersten Personen, zwei Reiter, welche am nördlichen Horizont ihre jungen Pferde tummelten. Sie sahen uns und kamen auf uns zugesprengt.
    Ja, das waren Haddedihn; das sah man schon von weitem, die besten Reiter weit und breit! Ventre à terre kamen sie mit eingelegten Lanzen auf uns zugeflogen und parierten mitten im Galopp ihre Pferde so nahe vor uns, daß die Spitzen ihrer Lanzen fast meine und Halefs Brust berührten. Das ist ein höchst gefährliches Experiment; aber man darf dabei kein Augenlid bewegen, wenn man nicht für einen Feigling gelten will.
    Es waren zwei alte Krieger; ich kannte sie genau, denn ich hatte manchen Abend mit ihnen am Lagerfeuer gesessen. Welche Überraschung, als sie mich und Halef erkannten! Sie warfen sich sofort von den Pferden, ergriffen meine Steigbügel und küßten mir die Stiefelspitzen, bei dem ausgeprägten Stolz dieser Leute ein unerhörter Beweis, wie sehr sie uns ins Herz geschlossen hatten. Dann stiegen sie wieder auf und jagten wie der Wind davon, um uns anzumelden.
    „Sihdi“, fragte der Parsi, „wirst du lange bei diesen Leuten bleiben?“
    „Gewiß, einige Wochen.“
    „Ich denke, du willst mich zu den Anezeh begleiten, weil du denkst, daß ich allein meinen Vater nicht befreien kann?“
    „Ich habe es dir versprochen und halte mein Wort.“
    „Aber dann kannst du dich kaum

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