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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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einen Tag bei den Haddedihn verweilen. Ich habe dir gesagt, daß am fünften des Monats Ssafar die Frist zu Ende ist.“
    „Ich reite mit und kehre dann zu ihnen zurück.“
    „Der fünfte Tag im Ssafar nach Mondsmonaten, ist das heuer nicht der fünfundzwanzigste Tag im Kanun el Auwal (Dezember) nach Sonnenmonaten, Sihdi?“ fragte Halef.
    „Ja.“
    „Auf diesen Tag fällt doch das Id el-Milad (Weihnachten) der Christen!“
    „Allerdings.“
    „Und du willst dieses dein großes Fest dadurch feiern, daß du zu den feindlichen Anezeh gehst und bei ihnen dein Leben wagst?“
    „Es gilt die Erlösung eines Unglücklichen und die Verhinderung eines Mordes. Das ist die beste Feier eines christlichen Festes.“
    „Wohlan, Sihdi, darf ich mit?“
    „Ja, du wirst sehen, daß wir ganz heil zurückkehren werden.“
    Da erschien vor uns im Norden eine große, dichte Wolke von Reitern, welche schreiend, jauchzend und ihre Gewehre abschießend auf uns losstürmten. Die Wolke teilte sich, als sie in unsere Nähe kam; die Reiter umritten uns und bildeten, als sie hielten, einen Kreis, in welchem nur einer von ihnen auf uns zusprengte – Amad el Ghandur, der heldenhafte Scheik, welcher sich ebenso wie ich vom Pferd warf. Wir umarmten und küßten uns, wobei alle anderen unaufhörlich ‚Marhababak‘, Gruß, Heil! riefen.
    Es war das jüngere Ebenbild meines einstigen Freundes, seines Vaters Mohammed Emin, grad so hoch und breit von Gestalt, mit denselben ernsten, edlen Zügen und, bei einem Beduinen große Seltenheit, einem schönen, dunklen Bart, welcher ihm bis über die Brust herunterging. Der Bart seines Vaters war ebenso dicht und lang, aber silberweiß gewesen.
    Was soll ich die rührenden Szenen schildern, welche nun folgten! Jeder wollte einen Händedruck, ein Wort von mir, und es dauerte lange, ehe sie umwendeten, um uns im Triumph in ihr Lager zu führen. Man schildert diese Leute immerhin als halbwild, roh, unzuverlässig, treu und so weiter! Wer sie genau kennt, der weiß, daß sie es nicht sind. Sie sind Freund dem Freunde, Feind dem Feinde und zwar dann auch in jeder Beziehung und mit dem ganzen Herzen. Freilich, wer zu ihnen kommt, ohne die Berechtigung ihrer Eigenart gelten lassen zu wollen, wer da glaubt, von der hohen Plattform seiner Bildung aus auf sie herabblicken, sie als pfiffiger Händler aussaugen oder ihnen beweisen zu können, daß Mohammed kein Prophet, sondern ein sich selbst betrügender Phantast gewesen ist, der hat sich in ihnen geirrt und wird ihre guten Seiten niemals kennenlernen.
    Und welche Aufregung erst im Duar, im Zeltdorf, als wir in dasselbe gelangten! Die Männer waren uns entgegengekommen; nun kamen die Frauen alt und jung, die Knaben und die Mädchen! Der Scheik wollte, um mich von ihnen zu befreien, mich in sein Zelt drängen; aber das ging nicht an; ich wurde von zehn, zwanzig Händen in den Schwarm hineingezogen und nicht eher freigegeben, bis auch der kleinste Nacktfrosch wenigstens einen freundlichen Klaps von meiner Hand bekommen hatte. Erst dann konnte Amad el Ghandur mich als seinen Gast betrachten. Und nun ging das Schlachten los. Es gab einen Festtag, und gar mancher arme, fette Hammel mußte meine Ankunft mit seinem edlen Leben bezahlen. Aber so ist der Lauf der Welt: die Freude des einen ist des anderen Schmerz! Dann saßen wir mit dem Scheik beim leckeren Mal, wobei nach alt ehrwürdiger Vätersitte die fünf Finger als Löffel und Gabel benutzt wurden; sie rosten nicht, obgleich sie meist ungeputzt bleiben.
    Und nun konnte die Rede auch auf das Woher, Wohin und Warum kommen. Ich erzählte Amad von dem Parsi und seinem Vater. Als er den Fall angehört hatte, sagte er: „Es ist gut, daß du, Freund meiner Seele, nicht sofort zu den Anezeh gegangen, sondern vorher zu mir gekommen bist. Es wäre dein Tod gewesen, denn sie sind ergrimmt auf alles, was nicht Beduine heißt. Der Mutessarif hat seine Soldaten zu ihnen gesandt, um die Kopfsteuer mit Gewalt einzutreiben; er hat ihnen die schönsten und besten Tiere ihrer Herden fortführen lassen; nun drohen sie jedem Fremden mit dem Tod, denn jeder Fremde gilt bei ihnen als Türke. Dieser Wikrama, den ihr loskaufen wollt, wird nicht freigegeben, selbst wenn ihr das ganze und sogar doppelte Lösegeld bezahlt. Wenn sie ihn noch nicht getötet haben, werden sie das Geld nehmen und ihn dennoch ermorden und euch dazu. Aber, Kara Ben Nemsi, du bist mein Bruder, und so werde ich euch beistehen. Weißt du schon, daß wir mit

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