18 - Orangen und Datteln
nicht, daß sie aus der Bibel stammten, verstand aber ihren Sinn sogleich, denn er sagte:
„Der heilige Mann befielt, daß wir Frieden machen. Meinst du, daß Amad el Ghandur sich billig finden lassen wird?“
„Ja. Und wenn er zu streng sein sollte, so werde ich für euch sprechen.“
„So willst du hin zu ihm?“
„Ich und du.“
„Ich auch? Er wird mich gefangennehmen!“
„Nein. Du stehst in meinem Schutz. Ich verspreche dir, daß du zurückkehren kannst, sobald du willst.“
Er traute nicht so recht, wagte es aber auf längeres Zureden doch, mir zu folgen.
„Friede auf Erden!“ Diesem Gebot wurde Folge geleistet. Die Verhandlungen dauerten zwar bis gegen Abend, doch wurde man schließlich einig. Wikrama wurde ohne Lösegeld freigegeben, und die Haddedihn bekamen die geraubten Tiere wieder, wofür Amad el Ghandur sein Wort gab, auf Rache zu verzichten. Darauf gab es eine Verbrüderung zwischen den bisherigen Feinden, welche sich zwar erst ein wenig gezwungen ausnahm, nach und nach aber freier und herzlicher wurde. Die Haddedihn kamen zum Lager. Es wurden Hammel geschlachtet und Feuer angezündet, sie daran zu braten.
Vorher aber geschah etwas, was niemand vermutet hatte. Als nämlich die Knaben kurz vor nachts den Felsen erstiegen, hatte der Einsiedler sie ausgefragt. Sie kamen herab. Er ließ durch sie die Anezeh um Lichter bitten, wie die Beduinen sie aus Hammeltalg zu machen pflegen, und ich erhielt die Botschaft, morgen früh zu ihm auf den Felsen zu kommen. Es war, wie bereits erwähnt, außer den beiden Knaben noch nie jemand bei ihm oben gewesen. Ich war auf diesen Besuch natürlich außerordentlich gespannt. Zu erwähnen wäre noch die Freude der beiden Parsen, als sie einander wieder hatten, ohne daß ein Lösegeld zu bezahlen war. Selbstverständlich mußte Wikrama die Summe, die man ihm abgenommen hatte, wiederbekommen, wenigstens so weit sie noch vorhanden war.
Als wir dann abends bei den Feuern saßen und das Friedensmahl verzehrten, ertönte oben das Glöckchen wieder. Wir blickten hinauf. Da erschien auf der Höhe Licht um Licht an dem Nadelbaum. Der Einsiedler feierte den heiligen Abend mit einem Weihnachtsbaum. Welch ein Wunder hier im Orient, mitten unter Beduinen! Und welch ein Anblick für mich, den Deutschen, der sich keine Weihnacht ohne Lichterbaum zu denken vermag! Die Araber genossen den ihnen fremden Anblick mit stummem Schweigen; Alam aber sagte mir:
„Sihdi, das ist der Baum, von welchem du gestern erzählt hast. Wie schön ist er! Er spricht zu mir von dem Nûr es Semâ, welches in meinem Herzen aufgegangen ist!“
Und wen ich am andern Morgen da oben auf dem Felsen fand, und was ich von ihm erfuhr? Vielleicht erzähle ich es dem lieben Leser ein anderes Mal! – – –
SECHSTES KAPITEL
Christi Blut und Gerechtigkeit
„Chodeh t'avezschkeht; aaleïk sallam, u rahhmeht Allah – Gott bewahre dich; der Friede und die Barmherzigkeit des Herrn sei mit dir!“
Scheich Melef, zu dem ich diese Abschiedsworte sprach, reichte mir die Hand von seinem Schimmel herüber. Der dünne Bart zuckte um seine schmalen Lippen, und die Haut seiner Augenwinkel legte sich in die kleinen Fältchen, die mir so wenig gefallen hatten.
„Az kolahme tah; bu kalmehta ta siuh taksihr nakehm; atina ta, Ansziallah, theira – Ich bin dein Diener; ich spare nichts, um dir zu dienen; gebe Gott, daß dein Besuch ein glücklicher sei!“ antwortete er.
Dabei drückte er mir sehr freundschaftlich die Hand, und ein Seitenblick sagte seiner Begleitung, daß auch sie sich jetzt zu verabschieden hätte.
„Chodeh scogoletah rast init – Gott stehe dir in deinem Vorhaben bei. Chodeh ezsch tah razschibiht – Gott sei zufrieden mit dir. Chodeh da-uleta mazen bekeht – Gott vermehre deinen Reichtum. Sallam aaleïk, jahrimen ahziz – Friede sei mit dir, mein teurer Freund!“
Diese und ähnliche andere Rufe erklangen um mich her, während sich gegen zwanzig Hände bemühten, meine Rechte zu drücken. Es war ein verdorbenes Kurmangdschi, und so zweifelhaft wie ihr Dialekt, war mir auch ihr Charakter während meines viertägigen Aufenthaltes bei ihnen vorgekommen. Ich fühlte mich froh, ihnen mit heiler Haut entgehen zu dürfen, und kürzte daher den Abschied so viel wie möglich ab. Ich reichte die Hand im Kreis herum; mein arabischer Diener Halef tat dasselbe, und dann ritten wir davon, begleitet von einem Reiter, welcher uns auf dem besten Weg über den großen Zab hinüber zu den
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