18 - Orangen und Datteln
ist dieser Mann, von welchem ihr bis jetzt noch gar nicht gesprochen habt?“ fragte ich die zwei, indem ich auf den Moslem deutete.
„Wir wissen es nicht“, war die Antwort.
„Ihr müßt es wissen, da er mit euch gefahren ist!“
„Nein. Wir kennen ihn nicht, denn er war Passagier und hat nur mit dem Kapitän gesprochen.“
„Aber ihr habt gehört, wie er von dem letzteren genannt wurde?“
„Er sagte stets nur Sahib (Freund, Herr) zu ihm.“
Nun wendete ich mich an den Betreffenden direkt, indem ich ihn nach seinem Namen fragte. Sein Anzug bestand nur aus dem Hemd, der Hose und der Jacke; alles übrige hatte er während des Schiffbruches im Sturm verloren; seine Füße waren nackt und sein geschorenes Haupt entbehrte der Bedeckung, ohne welche der Moslem sich vor keinem Menschen sehen läßt. Dennoch hatte er sich seitwärts von uns niedergesetzt und eine Haltung angenommen, als ob er der Gebieter unseres Schiffes sei. Ich mußte meine Frage wiederholen, ehe er antwortete:
„Ist es bei den Franken Sitte, den Gast sofort nach seinem Namen zu fragen? Wie sehr entbehren diese Christen doch der Höflichkeit!“
„Meine Frage war im höflichsten Ton ausgesprochen. Das Gesetz hat mich gezwungen, sie zu tun. Alles, was an Bord geschieht, muß in die Schiffsbücher eingetragen werden.“
„Sofort?“
„Ja.“
„Auch mein Name?“
„Gewiß.“
„So schreibe Ibrahim.“
„Wie noch?“
„Weiter nichts.“
„Dein Stand und deine Heimat?“
„Ich lebe von dem, was ich besitze, und wohne in Tunis.“
„Das wird genügen.“
„So laß mich nun in Ruhe!“
Er sagte das in strengem, abweisendstem Ton; ich fuhr ruhig fort:
„Deine Güte wird mir erlauben, noch eine Erkundigung einzuziehen. Du warst in Marseille?“
„Ja.“
„Hast du da den Tiergarten besucht?“
„Nein.“
„Bist du nicht zwischen Schloß If und dem Port de la Joliette mit dem Kahn verunglückt?“
„Ich weiß nichts davon.“
„Erinnerst du dich auch nicht, mich dort gesehen zu haben?“
„Ich sah dich noch nie; ich kenne dich nicht und habe auch nicht Lust, mit einem Christen Bekanntschaft zu machen.“
„Das hättest du früher sagen sollen; dann hätten wir dich auf dem Wrack zurückgelassen.“
„Allah wird mir die Berührung mit den Ungläubigen verzeihen; er ist groß, und Mohammed ist sein Prophet. Habt ihr mich nach Tunis gebracht, so werde ich nach dem heiligen Keruan pilgern, um wieder rein zu werden.“
Keruan oder Kairwan ist eine tunesische Stadt, welche kein Nichtmohammedaner betreten darf. Die dortige Okba-Moschee ist die heiligste in den Berberstaaten, und in ihr liegt El Waib, Mohammeds Busenfreund und Gefährte, begraben.
Schon wollte ich mich von dem Moslem abwenden, da fügte er hinzu:
„Du wirst mir die Kajüte überlassen und mir Fleisch, Mehl, Datteln und Wasser geben, welches kein Ungläubiger berührt hat. Ich will abgeschieden wohnen, um euern Augen zu entgehen, denn die Blicke der Christen verunreinigen den Leib des Gerechten.“
Sollte ich diesen Menschen auslachen oder ihm meine Hand abermals zu fühlen geben? Keins von beiden. Zum Lachen ärgerte ich mich zu sehr, und zum Schlagen war mir meine Hand denn doch zu wert. Darum antwortete ich ihm sehr freundlich:
„Willst du nicht in die See geworfen werden, so begnüge dich mit dem Platz, auf welchem du jetzt sitzt. Du hast ihn ja selbst gewählt. Das Essen und Trinken wirst du mit den Matrosen bekommen, welchen du dein Leben zu verdanken hast. Der Gerettete darf sich nicht besser und höher dünken, als derjenige, der ihn gerettet hat.“
Da flammte sein Auge auf, und als ob ich ein Hund sei, schnauzte er mich an:
„Wer hat mich gerettet? Sage es! Als ich über den Wassern hing, habe ich gerufen: ‚Sa'id'ni ja nebi, ja Mohammed!‘ (Rette mich, o Prophet, o Mohammed!) Da sandte er euch, um euch zu begnadigen, mir die Hand zu reichen.“
„Warum sandte er dir keine Muslim?“
„Weil keine in der Nähe waren.“
„So ist unser Jesus, den du gelästert hast, mächtiger als er, denn er führte uns in deine Nähe. Wir sind fertig miteinander, und zwar, hoffe ich, für immer!“
„Noch nicht. Du gehst nach Tunis, und ich wohne dort. Wir treffen uns noch! Jetzt aber wirst du mir etwas geben, um die Blöße meines Hauptes und meiner Füße zu bedecken!“
Das war geradezu frech. In demselben Atem, in welchem er mich beleidigte und mir drohte, verlangte er Gefälligkeiten, und zwar in welchem Ton! Daher lautete mein
Weitere Kostenlose Bücher