18 - Orangen und Datteln
Bescheid:
„Das kann ich nicht, da du behauptest, daß alles, was aus der Hand eines Christen kommt, dich beschmutze.“
„Willst du, daß ich mit unbedecktem Schädel in Tunis aussteige?“
„Nein. Ich will barmherzig sein und deinen Glauben achten, welcher dir verbietet, den nackten Kopf sehen zu lassen. Du sollst eine Hülle haben; diese hier; sie ist ja dein Eigentum.“
Ich hatte gesehen, daß Turnerstick nach dem weißen Burnus geschickt hatte; diesen gab ich dem Moslem hin. Er nahm ihn, ohne daß ein Zug seines Gesichtes sich veränderte, und sagte:
„Das ist das Gewand eines Gläubigen; ich darf es nehmen. Schuhe wird mir einer der beiden Matrosen leihen. Deine Seele und dein Leben aber seien wie der Rauch des Feuers, welcher entweicht, ohne zurückzukehren!“
Dem Kapitän erging es ebenso wie mir. Als ich ihm alles Gesprochene übersetzte, wußte er nicht, ob er diesen Menschen über Bord werfen lassen oder einfach auslachen solle. Er war mit dem, was ich bestimmt hatte, vollständig einverstanden. Der unverschämte Patron mußte auf die Kajüte verzichten; aber er begehrte auch kein Essen und kein Wasser. Er hatte den Burnus zerrissen und die Hälfte desselben sich um den Kopf gewickelt. An die Füße steckte er die geborgten, niedergetretenen Schuhe, welche kaum mehr Pantoffel genannt werden konnten. So saß er steif und unbeweglich auf seinem Platz und starrte in das Weite, scheinbar unbekümmert um alles, was um ihn vorging.
Von dem Augenblick an, in welchem die Geretteten an Bord kamen, waren wir wieder mit vollen Segeln gegangen. Kurz nach Mittag doublierten wir das Vorgebirge Sihdi Ali, und wenig vor Abend hatten wir das Kap Karthago hinter und den Hafen von Goletta, dem Vorort von Tunis, vor uns. Bald darauf ließen wir im Handelshafen, welcher sich an der Südseite des Kriegshafens befindet, die Anker fallen. Nun bewegte sich der Moslem zum erstenmal. Er trat zu Turnerstick und mir und befahl, indem er auf seine beiden Matrosen zeigte:
„Ihr werdet sofort mit diesen Leuten zu eurem Konsul gehen und bestätigen, daß die Brigg untergegangen ist! Der Konsul wird seine Unterschrift geben.“
Da legte ich ihm die Hand auf die Schulter und antwortete:
„Und was wirst du inzwischen tun?“
„Ich gehe ans Land.“
„Meinst du, daß wir es dir erlauben?“
„Erlauben? Ihr habt mir nichts zu erlauben und nichts zu verbieten. Ihr seid hier fremd, und ich bin Herr.“
„Umgekehrt! Du befindest dich auf diesem Schiff; da bist du fremd und wir sind die Herren. Wir haben das vollste Recht, dich als einen Mörder hier zurückzuhalten, bis unsere Konsuln ihre Verfügung treffen. Oder bist du noch immer so feig, zu leugnen, daß du auf mich geschossen hast?“
Es war ein unbeschreiblich stolzes und hochmütiges Lächeln, welches über sein Gesicht glitt, als er antwortet:
„Ich feig? Ihr Würmer! Ja, ich habe auf dich geschossen und werde es wieder tun, sobald du es wagst, mir zu begegnen. Nun behalte mich zurück! Ich sage dir, ich brauche nur meine Stimme zu erheben, so sind hundert Männer da, um mich mit Ehren von hier abzuholen. Noch weißt du nicht, wer ich bin, und wehe dir, wenn du mich kennenlernst!“
„Pah! Ich kenne dich! Daß du mir nicht deinen wahren Namen und Stand genannt hast, das habe ich sofort gewußt. Sei wer du willst, wir fürchten dich nicht. Wenn wir dich festhalten wollten, so würden deine Hundert uns nicht hindern können. Wir haben noch ganz andere Männer, als du bist, vor uns gehabt und ihnen Achtung eingeflößt. Aber wir sind Christen, und unser Glaube gebietet uns, selbst unsern Feinden wohlzutun. Darum wollen wir dir den Mordanschlag verzeihen und dich in Frieden ziehen lassen. Du kannst gehen!“
„Ja, ihr seid Christen“, lachte er höhnisch, „Christen, welche erst dann für einen Menschen beten, wenn er von dem Panther zerrissen worden ist. Eure Lehre ist lächerlich und euer Glaube eitel. Eure Priester verkünden die Unwahrheit, und ihr glaubt, was sie euch sagen. Ich verachte euch und werde euch zertreten, wenn ihr es wagt, mir wieder vor die Augen zu treten!“
Den rechten Arm wie zum Schwur erhebend, ging er mit dieser Drohung von Bord. –
III
Die Zeiten verändern sich und die Menschen und Völker mit ihnen. Die Wahrheit dieses Wortes erkennt man sofort, wenn man den Fuß auf die Erde Nordafrikas setzt. Noch ist's nicht lange her, so zitterten die schiffahrenden Völker Europas vor den Raubfelucken der Barbareskenstaaten. Die
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