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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Menschen in einem seltenen Wohlgefühl schwillt.
    Das hatte ich früher beobachtet und beobachtete es auch jetzt wieder. Ich saß unter dem Deckzelt und verzichtete stundenlang auf die anderorts unvermeidliche Zigarre, nur um die herrliche Seeluft rein und unvermischt zu atmen.
    Nicht so guter Laune war der Kapitän. Er kümmerte sich nicht um das Wohlgefühl einer Landratte, wie ich war, sondern er ging mit zusammengezogenen Brauen auf und ab, betrachtete bald die See und bald den Himmel und murmelte halblaute Worte vor sich hin. Der Mann am Steuer machte ein ebenso griesgrämiges Gesicht, und die Deckhands lagen hier und dort gähnend auf den Planken, schoben ihre Priemchen aus einer Backe in die andere und warfen einander gelangweilte oder gar bedenkliche Blicke zu.
    „Was gibt es denn? Was ist los, Käpt'n?“ fragte ich Turnerstick. „Ihr kaut an einer Sache, welche Euch nicht schmeckt.“
    „Was los ist?“ antwortete er, indem er zu mir unter das Zelt trat. „Nichts ist los, leider, leider; aber es kann leicht etwas losgehen.“
    „Was denn? Etwa ein Sturm? Es scheint ja alles ganz vortrefflich und gut zu sein.“
    „Es scheint, ja, das ist richtig; aber es scheint auch nur. Ein ewig lächelndes Gesicht ist ein falsches, ein heimtückisches Gesicht. So ist's auch mit dieser alten See. Wenn die Matrone nur immer lacht, so kann man darauf schwören, daß sie ganz plötzlich tüchtig zu keifen beginnt. Als wir Frankreich hinter uns ließen, hatten wir Nordwest; gut, das ist ein schöner Wind, um von Marseille aus in See zu gehen. Aber Nordwest und stets Nordwest, das ist hier, wo die Winde so häufig wechseln, bedenklich.“
    „Aber es ist ja grad der Wind, den wir für unsern Kurs brauchen!“
    „Sehr richtig! Wir machen eine ausgezeichnete Fahrt und könnten fast mit einem Steamer um die Wette gehen; jedoch mir wäre es weit lieber, wenn dieser Wind ein wenig schraalen wollte. Das ist's, was mir und meinen Jungens die Laune verdirbt. Dazu kommt die Geschichte mit dem verteufelten Muselmann. Ich werde den Gedanken nicht los, daß ich sein Mörder bin.“
    „Auch ich mache mir Vorwürfe. Wie schon gesagt, wir hätten ihn nicht rammen, sondern an das Land treiben sollen.“
    „Besser wäre das gewesen, viel besser. Nun haben wir zwar seinen geretteten Burnus an Bord, ihn aber fressen wahrscheinlich die Fische. Ich gäbe einen Finger, oder auch zwei, meiner Hand darum, wenn diese Geschichte nicht geschehen wäre. Sogar des Nachts im Traum erscheint mir dieser Mensch, nur um mich um mein gutes Gewissen zu bringen. Vielleicht wird es am Land anders; an Bord ist's so einsam.“
    „Wann denkt Ihr, daß wir Tunis erreichen?“
    „Morgen abend, wenn der Wind so stehen bleibt. Wollen hoffen, daß er uns nicht betrügt.“
    Er verließ das Zelt, schritt wieder einige Male hin und her und blieb dann stehen, um den Horizont zum tausendsten Male zu mustern. Dabei gab er seinem Kopf plötzlich einen Ruck in die Höhe, hielt die Hand über die Augen, sah scharf nach Westen und sagte dann zu mir:
    „Da haben wir es! Ich werde wohl recht bekommen. Da hinten braut sich etwas zusammen, was uns keinen Spaß machen wird.“
    Ich trat ins Freie und blickte in die angegebene Richtung. Dort gab es an dem sonst völlig ungetrübten Himmel ein kleines, lichtes Wölkchen von der scheinbaren Größe einer Walnuß. So wenig Seemann ich war, ich hatte doch erfahren, daß ein so winziges Gebilde imstande ist, in kürzester Zeit den ganzen Himmel in Finsternis zu hüllen.
    „Ja, ja; das ist's“, nickte Turnerstick. „In einer Stunde geht es los, wenn nicht noch früher. Wir wollen unsere Vorbereitungen treffen, und ich hoffe, daß mein ‚Courser‘ die Probe leicht bestehen wird.“
    Das Zelt wurde unter Deck gebracht und alles Bewegliche festgemacht. Noch ließ er das Schiff unter voller Leinwand gehen; aber als nach einer Viertelstunde das ursprüngliche Wölkchen sich wie eine schwarze Wand über den ganzen westlichen Horizont ausgebreitet hatte, gab er den Befehl zu reffen. Das Unwetter kam doch nicht so schnell, als er vermutet hatte. Es dauerte noch eine Stunde, ehe die Wolkenwand den dritten Teil des Himmels einnahm. Jetzt wurden die großen Segel beschlagen und der Brigg nur diejenige Leinwand gelassen, welche sie brauchte, um dem Steuer gehorchen zu können.
    Es war gegen Abend, eine bedenkliche Zeit. Auf einem so eng begrenzten Meer ist ein Sturm des Nachts weit gefährlicher als am Tag. Das wußte selbst ich. Doch

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