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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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humaner Gedanke war, das sollte sich schon nach kaum zwei Stunden zeigen. Um diese Zeit nämlich meldete der Mann am Ausguck ein Wrack in Sicht. Wir richteten die Rohre auf dasselbe, und zugleich gab der Kapitän den Befehl, beizudrehen und das Lot auszuwerfen. Das Lot ergab neunzig Faden, so daß es gefährlich erschien, sich dem Wrack noch mehr zu nähern. Dieses ragte als dunkler, dreieckig erscheinender Körper aus dem Wasser. Von Masten war nichts zu sehen; auch waren wir zu weit entfernt, als daß wir selbst durch das Rohr einen Menschen hätten entdecken können. Turnerstick ließ dessen ungeachtet das große Boot nieder; es wurde mit den nötigen Ruderern unter dem Befehl des Steuermannes bemannt, und ich erhielt die Erlaubnis, mitzugehen.
    Je näher wir dem Wrack kamen, desto deutlicher sahen wir es. Nun erkannten wir es als das Vorderteil eines Schiffes, dessen Mittel- und Hinterteil ganz unter Wasser lag. Die Masten waren mit der ganzen Takelung über Bord gegangen; auch der Klüverbaum war abgebrochen.
    „Was für ein Fahrzeug mag das gewesen sein?“ fragte ich den Steuermann.
    „Das kann niemand sagen“, antwortete er. „Man sieht ja nur den halben Bug und das Spriet. Werden es aber bald erfahren, denn, wie mir scheint, gibt es Menschen darauf.“
    Ja, es gab Menschen; ich konnte sie durch das Rohr zählen; es waren ihrer nur drei. Sie sahen uns kommen und winkten unausgesetzt mit den Händen. Der Bug des Fahrzeuges ragte so weit aus dem Wasser, daß der daran befindliche Name zu sehen war. Wie erstaunte ich, als ich einen doppelten Namen las, nämlich in großer Firmenschrift ‚Le vent‘ und in arabischer Schrift ‚El Hawa‘. Das war also die tunesische Brigg, welche Marseille für uns zu früh verlassen hatte. Und bald verwandelte sich mein Erstaunen in Freude; mein Herz wurde leicht, denn in dem einen Mann, welcher, um zuerst gesehen zu werden, auf dem Bugspriete ritt, erkannte ich unsern totgeglaubten Muselmann und Pistolenattentäter. In diesem Augenblick war ihm alles, alles vergeben, denn wir waren nun keine Mörder und konnten uns mit ruhigem Gewissen schlafen legen.
    Glücklicherweise gab es keine starke Brandung; es gelang uns unschwer, das Boot an das Wrack zu bringen. Das Wasser stand bis zur Kistluke nach vorn; darum war es vollständig unmöglich, in das Schiffsinnere zu dringen, um von dort etwas zu bergen. Wir mußten uns auf die Erlösung der drei Männer beschränken.
    Was in dem Innern des Muselmannes vorging, das konnte ich nicht sehen. Er tat, als ob er mich nicht kenne; ja, er tat, als ob ich gar nicht vorhanden sei. So, wie er jetzt im Boot vor mir saß, mit durchnässter Hose und Jacke, glich er genau der Person, welche am Fallreep der Brigg emporgestiegen war. Er wechselte einige Worte mit den beiden andern, worauf mich diese verstohlen, aber forschend betrachteten. Der Steuermann legte ihnen unterwegs einige Fragen vor, erhielt aber eine murmelnde Antwort, welche selbst ich nicht verstehen konnte. Was mich betrifft, so beschloß ich, für jetzt zu schweigen, um zu sehen, wie der Mann sich benehmen werde.
    Man kann sich die Freude Turnersticks denken, als er sah, wen wir brachten.
    „Charley“, rief er mir entzückt zu, „nun ist alles gut. Der Kerl wird, da ich ihn am Tag sehe, mir nun nicht mehr des Nachts im Traum erscheinen. Ist's sein Prophet, dem wir den Schiffbruch zu verdanken haben, so will ich ihn loben. Allah il Allah, allüberall Allah!“
    Natürlich mußten die Geretteten ausgefragt werden. Turnerstick tat dies in seiner Art und Weise, erhielt aber nur die stete Antwort ‚non comprendre‘ und ‚no capire‘. Er war also gezwungen, die Erkundigung mir zu überlassen. Die zwei Matrosen gaben sich für Tunesier aus, sprachen aber so verkehrt arabisch, daß ich sie für Griechen und nebenbei für Schurken hielt, welche allen Grund hatten oder wenigstens von dem Moslem beredet worden waren, die Wahrheit zu verschweigen. Sie nannten mir den Namen des Reeders in Tunis, welchem das Schiff gehört hatte, und erzählten mir auch, wie dasselbe auf den Grund geraten war. Ihrem Bericht nach schien der Kapitän ein unfähiger Mensch gewesen zu sein; ich aber hatte große Lust, ganz andere Gedanken zu haben. Es handelte sich vielmehr wohl um einen freiwilligen Schiffbruch zur Erreichung der hohen Versicherungssumme; der plötzlich eingetretene Sturm aber hatte Ernst gemacht und außer den von uns geretteten dreien der ganzen Bemannung das Leben gekostet.
    „Und wer

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