Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Angehörigen zivilisierter Nationen wurden ohne Erbarmen ausgeraubt und getötet oder in lebenslängliche Sklaverei geschleppt. Da gab es keine Hilfe, als nur diejenige des Loskaufes um sehr hohe Summen, um teures Geld. Da trotzte der Halbmond dem Kreuz, und der Bei oder Dei eines kleinen Räuberländchens spottete der mächtigen Fürsten und Könige, welche Armeen aus der Erde stampften, um – sich untereinander zu bekämpfen.
    Wie ganz anders heute, nach verhältnismäßig so kurzer Zeit! Marokko krankt an innerer Verzehrung. Von Tripolis wird nicht einmal gesprochen. Algerien wurde ‚ausgeräuchert‘, und nun hat Frankreich seine Hand auch auf Tunesien gelegt. Dort schreitet die französische Zivilisation mit Riesenschritten vorwärts. Hat man doch sogar Eisenschienen gelegt, so daß der schrille Pfiff der Lokomotive den Muezzin unterbricht, wenn er vom hohen Minareh herab die Gläubigen zum Gebet ruft.
    Und doch ist Tunis immer noch orientalischer als Algier und selbst Kairo. Das bemerkt man erst, wenn man in das Innere der Stadt gelangt. Vor der Stadt, am Hafen, wird der Reisende zunächst von den Zollbeamten empfangen, welche nicht allzu streng sind, sondern beim Anblick eines oder einiger Frankenstücke sich eines menschlichen Rührens nicht zu erwehren vermögen. Der Europäer mag sich dann vor den Lastträgern, welche gern mitsamt dem Gepäck echappieren, in acht nehmen und sich so schnell als möglich nach dem Hotel d'Orient oder Hotel de France bringen lassen, wo er zwar selten gutes Essen und reine Wäsche, aber zu jeder Zeit gutwillige Aufklärung findet, wenn er weiß, was das Wort – Bakschisch, Trinkgeld, im Orient zu bedeuten hat.
    Von der Stadt selbst läßt sich wenig sagen. Sie gleicht den andern orientalischen Städten, ohne irgendwelchen Vorzug vor ihnen zu haben. Der Moslem freilich hat eine so gute Meinung von ihr, daß er sie die Stadt der Glückseligkeit nennt. Dem pflichtet der Europäer bei, wenn er von dem Ölbaumhügel, Belvédère genannt, im Licht der sinkenden Sonne die schlanken Minarehs und platten Dächer, auf deren weiße goldige Tinten flimmern, liegen sieht. Doch wird er, wenn er das Innere der Stadt betritt, auch diese Meinung sicher ändern. Die Gassen sind krumm und eng; überall liegen Schutt, Geröll und übelriechender Schmutz. Oft treten die Häuserreihen so nahe aneinander, daß man mit einem kurzen Schritt von einem Dach der diesseitigen Straßenseite auf ein Dach der jenseitigen gelangen kann. Baufällige Gebäude werden nicht repariert; man läßt sie zerfallen und baut, da es nicht an Platz gebricht, ein neues Haus nebenan. So stehen Ruinen, wohlgepflegte Gebäude, improvisierte Zelte, ja Grabkapellen nebeneinander, die Geschichte und Entwicklung der Stadt von der ältesten bis auf die neueste Zeit vertretend. Kaiser Karl V. ließ nach dem Sieg von Keleah eine Zwingburg bauen, zu welcher die Bewohner die Quadern des karthagischen Aquäduktes abbrechen und herbeischaffen, auch aus den Marmorsäulen Karthagos Kalk brennen mußten. Diese Burg liegt heute auch in Trümmern. Das einzige erwähnenswerte Haus ist der Palast des Beis am Kasbahplatz, welcher aber nur sehr selten benutzt wird.
    Früher waren die Bewohner äußerst streng nach der Rasse und dem Glauben voneinander gesondert. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall, dennoch nehmen den untern Stadtteil und die Vorstädte vorzugsweise die Christen und Juden ein; der obere Teil wird von den sogenannten Kulugli, den Nachkommen der Türken, bewohnt, und in dem Mittelteil hausen die Mauren, welche meist Nachkommen der aus Spanien vertriebenen Moriskos sind. Zu erwähnen wäre noch, daß des Abends bei Dunkelheit jedermann verpflichtet ist, eine Laterne zu tragen.
    Der Bei wohnt in seinem Schloß Bardo, welches in westlicher Richtung eine Stunde von der Stadt entfernt liegt. Um dorthin zu gelangen, passiert man einen Bogen des imposanten Aquäduktes, welcher einst Karthago mit Wasser versorgte. Dieser Bardo ist eine Zusammenstellung von verschiedenen Gebäuden, in denen nicht nur der Bei residiert, sondern auch viele hohe Würdenträger, Beamte und Bedienstete wohnen.
    Was die Ruinenfelder von Karthago betrifft, so führt der Weg dorthin über das Schlachtfeld von Zama, auf welchem Scipio Africanus Hannibal besiegte. Die meisten Ruinen stammen aus späterer Zeit; als die wirklichen Überreste des alten Karthago hat man wohl nur jenes Wasserwerk, welches aus achtzehn großartigen Zisternen besteht, zu betrachten.
    Mit

Weitere Kostenlose Bücher