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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hatte ich keine Sorge, denn die Bark war ein Prachtschiff und Turnerstick ein Seemann, dem man sich recht wohl anvertrauen konnte.
    Jetzt verdunkelte sich der Himmel schneller, und nun kamen Mutter Kareys Küchlein gehüpft. So nennt der Seemann diejenigen kurzen Wellen, welche einer vom Sturm aufgeregten See vorangehen. Diesen Küchlein folgten hohe Wellen; der Wind nahm an Stärke zu, und aus den Wellen wurden Wogen – der Sturm war da.
    Er fegte über das Deck, daß man sich sehr fest anhalten mußte, um nicht fortgerissen zu werden. Die Bark flog unter ihrer kleinen Leinwand vor ihm her, bald hoch oben, bald unten in der Tiefe des Wellentales. Es war so dunkel geworden, daß man kaum fünf oder sechs Schritte weit zu sehen vermochte.
    „Charley, geht in die Kajüte!“ riet mir der Kapitän während einer Pause, in welcher der Sturm Atem holte.
    „Ich bleibe oben“, antwortete ich.
    „Ihr werdet weggespült!“
    „Ich binde mich am Mast fest.“
    „Unsinn! Ich befehle es Euch, und Ihr habt zu gehorchen. Marsch fort, hinab!“
    Da nahmen mich zwei Matrosen, einer rechts und der andere links. Jede ihrer Hände hatten einen Durchmesser wie meine beiden in Summa. Sie führten mich zur Treppe, stopften mich hinab und warfen die Luke über mir zu. Gegenwehr wäre da vergeblich, ja lächerlich gewesen. Nun saß ich, da alle Mann an Deck beordert waren, ganz allein da unten und hörte die Wut der Elemente sich an den dünnen Wänden brechen. Das war ein Pfauchen und Zischen, ein Sausen und Brausen, ein Heulen und Toben, von dem nur derjenige eine Ahnung hat, der zur See gewesen ist. Das Schiff krachte in allen Fugen. Der Donner schlug, prasselte und rollte unaufhörlich, und die Blitze schienen ein wahres Haschen um das Schiff zu halten.
    Die Minuten wurden mir zu Wochen und die Viertelstunden zu Jahren. Ich glaubte, diese Einsamkeit in dem engen Raum nicht ertragen zu können, und mußte doch aushalten. Nach drei oder vier Stunden schien das Tosen ein wenig nachzulassen, und da kam Turnerstick herab. Er war fadennaß und sah aus, als ob er direkt aus der Tiefe des Meeres komme, doch sein Gesicht strahlte förmlich vor Vergnügen.
    „Alles vortrefflich“, lachte er mir zu. „Mein ‚Courser‘ macht seinem Namen Ehre und geht wie ein richtiges Rennpferd durch die Wogen.“
    „So ist nichts zu befürchten?“
    „Gar nichts. Wir haben einige Sturzseen bekommen; das ist alles. Es ist nur ein kleines Stürmchen gewesen. Freilich mußte ich vorsichtig sein, da die Abtrift nicht zu vermeiden war. Wir befinden uns zwischen Kap Teulada und Cap de Fer und können leicht auf die Untiefen von Galita getrieben werden. Der Wind hat sich gedreht; er bläst aus Südsüdwest, und so werde ich beilegen, um möglichst Kurs zu halten. Der Sturm hat keine Dauer; es war nur eine längere Donnerbö, welche wenig Wasser brachte. In zwei Stunden bin ich wieder da, um einen Grog zu trinken, den Ihr mir und Euch brauen könnt.“
    Er ging wieder nach oben. Ein kleines Stürmchen? Der Mann drückte sich ja recht bescheiden aus. Aber er behielt recht. Als die angegebene Zeit vorüber war, hörte das wilde Toben der Elemente auf; der Donner schwieg, und der Wind blies steif und ohne Intervalle aus einem Punkte. Turnerstick kehrte zurück, um seinen Grog zu trinken, und gab mir die Erlaubnis, wieder nach oben zu gehen.
    Da sah es freilich ganz anders aus als während der vergangenen Nächte. Noch war der Himmel wolkenschwarz; ebenso schwarz stiegen die Wogen am Schiff empor, um phosphoreszierenden Gischt aufs Deck zu spritzen. Ja, der Sturm, die Bö war vorüber, aber die See tobte noch fort. Die Hälfte der Mannschaft durfte hinab; die andern blieben oben; alle aber bekamen als Belohnung für die Anstrengung eine Doppelration Rum. Der pflichtgetreue Turnerstick blieb auch oben; ich konnte nichts nützen und ging also nach einiger Zeit wieder hinab, um mich niederzulegen.
    Als ich geweckt wurde, glaubte ich, kaum eine Stunde geschlafen zu haben; aber der Tag war da, und als ich an Deck kam, sah ich über mir den frischen unbewölkten Morgenhimmel und rund umher eine fast ganz beruhigte See.
    „Es ist glücklich überwunden, und wir befinden uns wieder in voller, richtiger Fahrt“, meinte Turnerstick. „Ob aber alle Schiffe so glücklich wie wir gewesen sind, das bezweifle ich. Darum halte ich jetzt auf Galita und Fratelli zu, um zu sehen, ob sich vielleicht einer auf den dortigen Felsen festgefahren hat.“
    Wie glücklich dieser sein

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