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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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diesen Sehenswürdigkeiten ist der Fremde sehr bald fertig. Ich hielt es mit der Gegenwart; das Leben und Treiben der jetzigen Bevölkerung interessierte mich mehr als das hier übrigens verbotene Suchen und Graben nach Altertümern. Darum trennte ich mich von Turnerstick, welcher geschäftlich sehr in Anspruch genommen war, und mietete mir eine Wohnung in der Mittelstadt. Das Haus gehörte einem Barbier und bestand aus einer großartigen Reihe von zwei feinen Salons, welche durch einen die ganze Breite und Höhe des Gebäudes einnehmenden Vorhang voneinander getrennt waren. Dieser ganze Palast war acht Schritte lang und sechs Schritte breit; das Dach bestand nur aus Stroh, die Mauer aber aus Lehm und Stroh. Um die Tür zu ersparen, hatte man auf der einen Seite die Mauer lieber gleich ganz weggelassen. Der Vorhang war sehr pfiffig aus Papierstücken aller Sorten, Größen und Farben zusammengeklebt. Den Boden bildete die freundliche Mutter Erde. Da saß ich dann auf meinem Diwan, d.h. auf meinem Reisesack, welcher das ganze Meublement bildete, in der Ecke und blickte durch eines der vielen Vorhanglöcher hinüber in den andern Salon, in welchem der alte Barbier sein Wesen trieb, nicht allein etwa, sondern mit seinem Harem, einer vielleicht siebzigjährigen Medusa, deren einzige Beschäftigung im Braten von Zwiebeln zu bestehen schien. Sein Salon wurde niemals leer. Er hatte eine sehr bedeutende Kundschaft, doch habe ich keinen von ihnen allen bezahlen sehen. Es war ein wahres Gaudium, ihn bei der Ausführung seiner Kunst zu beobachten. Besonders ergriff und rührte mich die Treue, mit welcher er den von den Gesichtern und Schädeln gekratzten Seifenschaum sammelte, um mit ihm liebevoll wieder andere Schädel und Gesichter zu labsalben.
    Dieses mein Logis kostete pro Monat vier Franken, pro Woche also achtzig Pfennige, die ich pränumerando zu bezahlen hatte. Als ich dem Alten zwei Franken gab und dabei erklärte, daß ich nur eine Woche bleiben könne, hielt er mich für einen Prinzen aus Tausendundeiner Nacht und erbot sich, mich umsonst zu rasieren, worauf ich aber weislich verzichtete.
    Natürlich hatte ich mich hier nur eingemietet, um täglich für eine oder zwei Stunden das Treiben einer tunesischen Barbierstube beobachten zu können; die übrige Zeit verbrachte ich mit Spaziergängen in der Umgebung oder durch die Stadt, und des Nachts schlief ich draußen auf dem Schiff.
    Eine Begegnung mit dem feindseligen Moslem fand während der ersten fünf Tage nicht statt. Wenn er je nach mir fahndete, so suchte er mich jedenfalls im Frankenviertel und nicht da, wo ich mich befand und bewegte. Am sechsten Tag aber sollte ich mit ihm auf eine höchst unerwartete Weise zusammentreffen. Nämlich als ich am vorherigen Abend an Bord kam, teilte Turnerstick mir voller Freude mit:
    „Charley, ich habe heute Glück gehabt, ein großes Glück. Ich werde einen Harem zu sehen bekommen.“
    „Pah! Den sehe ich alle Tage.“
    „Wo denn?“
    „Bei meinem Barbier.“
    „Redet keinen Unsinn! Um diese Urgroßtante eines Seifenschlägers beneide ich Euch nicht. Übrigens da wir von Seife sprechen, ich habe die meinige verkauft; auch die andern Waren finden Absatz, und was man hier nicht nimmt, das werde ich nach Sfaks bringen, wo ich einen guten Markt finde. Ich will, um mich vorher genau zu erkundigen, einmal hin. Geht Ihr mit?“
    „Natürlich! Können wir nicht die Linie der Societa Rubattino benutzen?“
    „Ja. Übermorgen abend geht ein Dampfer von hier ab. Macht Euch bis dahin fertig!“
    „Ich bin zu jeder Stunde bereit. Aber Ihr wolltet von einem Harem sprechen?“
    „Nicht nur von einem Harem, sondern von einem Haus überhaupt. Ich war begierig, einmal das Innere eines tunesischen Hauses zu sehen. Die Handelsherren, mit denen ich verkehre, sind alle auf fränkische Weise eingerichtet. Nun hat einer dieser Herren einen maurischen Buchhalter, welcher bei seinem Schwager, dem Mann seiner verheirateten Schwester wohnt. Dieser Schwager besitzt ein schönes, orientalisch eingerichtetes Haus, welches mir der Buchhalter morgen vormittag zeigen will!“
    „Wie heißt der Schwager?“
    „Abd el Fadl.“
    „Das heißt zu deutsch Diener der Güte, ein schöner Name, der etwas Gutes erwarten läßt. Ist er mit dem Besuch seines Hauses einverstanden?“
    „Doch jedenfalls.“
    „Und was ist der Mann?“
    „Ich weiß es nicht. Ihr kennt es ja selbst, daß man sich hier nach den Verhältnissen eines Verwandten nicht erkundigen

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