18
ausgeschlafen. Wir saßen schweigend nebeneinander. Onkel Hank trug meist riesige T-Shirts in schreienden Farben oder riesige Unterhemden in schreienden Farben mit riesigen Armausschnitten und an den Beinen abgeschnittene Jeans und Turnschuhe. Er hatte Iris. Das war auch noch eins meiner Probleme: Ich wusste nicht, was andere Leute an anderen Leuten fanden. Diese Farben machten einen auf Dauer blind.
„Hast du sie gestern noch gefunden?“, fragte er leise, ohne mich anzusehen.
„Wer weiß das schon“, sagte ich.
„Nimm es nicht tragisch“, sagte er und prostete mir zu.
„Ich weiß es wirklich nicht.“
„Zu dunkel.“
„Ich habe sie noch getroffen.“
Er schaute auf die Theke und redete zum Glück keinen Unfug. Ich trank einen Schluck Bier. Es schmeckte immer noch schal. Ich bestellte mir einen Kaffee. Wir starrten auf kleine weiße Wolken über dem blauen Himmel draußen vor dem Schaufenster. Auf der Straße fuhr Christophs Rad vorbei und er saß drauf. Wir warteten und irgendwann kam Christoph draußen vorbei geschlendert und erschien im Eingang. Wir starrten wieder nach draußen.
„Morgen, Jungs!“ rief Christoph durchs Lokal. „Was macht der Kater? Ihr seht ziemlich abgeschlafft aus.“
„Schrei nicht so“, sagte Onkel Hank Richtung Fenster.
„Voller Erfolg?“, fing Christoph mit der falschen Sache an.
„Bin nach Hause gefahren“, sagte ich.
„Warum?“, schrie er weiter. „Hast du sie nicht gefunden?“
“Nein, - Christoph -, ich - habe - meine - Freundin - nicht - gefunden.“
„Sag mal, wo wohnt eigentlich Daisy genau?“, fragte Christoph an Onkel Hank gewandt.
„Am Markt irgendwo.“
„Ich könnte sie mal besuchen,“ fuhr Christoph fort. Ich starrte aus dem Fenster.
„Was soll man sich darunter vorstellen?“, murmelte Onkel Hank. Er griff in seine Hosentasche und zündete sich umständlich eine Zigarette an. Die Bedienung platzierte ein nicht bestelltes Bier vor Christoph. Er nickte ihr zu.
„Sie ist prima. Sie gefällt mir“, verkündete Christoph und meinte wohl Daisy.
„Sicher“, sagte Onkel Hank und zog an der Zigarette. Draußen bewegte sich Timothys Körper vorbei.
„Timothy kommt auch“, schrie Christoph. Weshalb schrie er dauernd?
Die Tür schwang auf, und Timothy trat ein. „Wieder unter den Lebenden?“
„Nein“, sagte Onkel Hank.
„Nehmt es mir nicht übel, aber ich fühle mich topfit“, sagte Timothy.
„Im Prinzip bist du ein Wunderkind“, sagte Onkel Hank.
„Dich hätte ich gar nicht hier erwartet“, sagte Timothy zu mir. „Heute Morgen habe ich euch noch vorbeifahren sehen. Wie hieß sie noch? Ann?“
„Ann“, murmelte ich.
„Du hast sie doch noch getroffen?“, schrie Christoph eifrig.
„Ich kann es auch nicht glauben“, murmelte ich.
„Das ist doch wunderbar, sei doch froh, also ich wünschte, ich würde Daisy mal nachts allein am Kiessee treffen.“
„Daisy?“, fragte Timothy und lachte. „Immer ran, immer ran, nur nichts anbrennen lassen.“ Timothy schlug Christoph auf die Schulter. Christoph wurde rot.
„Ich werde sie dieser Tage besuchen“, erklärte er.
„Das ist gut, besuchen ist immer gut ...“ Timothy konnte sich kaum halten vor lachen. Ich trank meinen Kaffee aus und erhob mich. „Bis dann“, sagte ich.
„Ich komm mit“, sagte Onkel Hank. „Lang levend Nederland“.
Draußen blieben Onkel Hank und ich einen Moment in der Sonne stehen. „Er kann nichts dafür“, sagte Onkel Hank. „Ich rufe dich an. Wahrscheinlich das schlechteste Fisch-Gespräch der deutschen Geschichte.“ Wir gingen in entgegengesetzte Richtungen davon.
Ann meldete sich an dem Tag nicht und auch nicht in der folgenden Woche. Montag nicht, Dienstag nicht, Mittwoch nicht. Donnerstag rief Hank an. „Du kommst heute Abend in den Fisch.“ Es entstand eine Pause und ich sagte: „Zwei Arme, zwei Beine und blonde Haare. Meinst du das?“
„Iris hatte heute ein Volleyballspiel. Ich habe zugeschaut, und sie war zufällig auch dort. Tatsächlich Zufall, de dingen gebeuren aan me. Wir haben uns ganz entspannt unterhalten. Iris kennt sie übrigens schon länger. Wusstest Du das?“
„Du hast ihr vom Fisch erzählt. Dem dunklen Raum hinter dem Vorhang.“
„Ich habe ihr gesagt, dass du sicher kommst.“
„Und sie hat auch gesagt, dass sie sicher kommt.“
„Sie wird ein Kleid mit weitem Ausschnitt anziehen, weil du letztes Mal nur auf ihre Möpse gestarrt hast.“ Er lachte sich halbtot, anscheinend ging es ihm
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