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nur noch meine Hose. Wiebke sah mich interessiert an.
„Ja“, sagte ich.
Ich setzte mich in den Wagen, drehte das Radio aus und versuchte zu starten. Nichts tat sich. Ich wartete stumm, bis Onkel Hank meine Situation bemerkte. Er erhob sich schwerfällig. „Also los“, rief er. Onkel Hank setzte sich in seinen Wagen und rangierte ihn näher an meine Motorhaube. Ich entriegelte, und er fummelte darin herum, rief irgendwann: „Fertig!“
Ich startete und der Motor sprang an. Onkel Hank klemmte die Kabel ab und ließ die Motorhaube zufallen. Ich sagte: „Danke!“, und wedelte mit dem Arm aus dem Fenster.
Ohne Licht rollte ich den Feldweg entlang. Ann stand hinter einer Kurve als schwarzer Schatten in einer schwarzen Umgebung. Sie winkte leicht, als ob sie unsicher sei, ob ich es sei. Ich hielt, beugte mich hinüber auf die Beifahrerseite und drückte die Türe auf. Sie stieg ein und ich regelte die Heizung hoch, um unsere Kleidung trocken zu bekommen.
Ich schaltete das Fahrlicht ein und fuhr zügig durch den Sand bis zur Asphaltstraße. Wir bogen ab, nicht in Richtung Stadt, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Die Automatik schaltete in den nächsthöheren Gang, die Drehzahl des Motors nur knapp über Standgas. Ich beugte mich vor, griff unter den Sitz und fand eine Kassette.
ZZ Top spielten kreischend ‚Sleep inside my sleeping bag’ und ich stoppte die Kassette hastig wieder und probierte es mit ‚The River’ von Springsteen. Ich summte mit, und Ann rutschte tiefer in ihren Sitz. Sie stellte ihre nackten Füße auf das Armaturenbrett und hängte einen Arm aus dem Fenster. Der Fahrtwind rauschte. Niemand sagte ein Wort. Ich fuhr geradeaus, bog nach einiger Zeit rechts ab, die Straße machte einige Bögen durch Felder und Weiden, und schließlich sah ich das Hinweisschild zur anderen Seite des Sees, an den großen Finger des U‘s, und ich bog ein. Die Straße führte leicht bergauf und endete auf einem großen leeren Parkplatz, hoch oben über dem See. Ich ließ den Wagen bis zum äußersten Rand rollen, stellte Licht, Musik und Motor ab und stieg aus. Der Asphalt fühlte sich unter meinen nackten Füßen noch warm an. Ich stellte mich an die Kante. Vor mir fiel die Böschung steil ab, und unten plätscherten Wellen auf den Sand. Hier oben blies ein leichter Wind in meine Ohrmuscheln. Ich fröstelte mit nacktem Oberkörper.
Ich hörte Ann aussteigen, dann stand sie neben mir.
„Wo sind wir?“, fragte sie.
„Am anderen Ende des Sees. Man kann die anderen nicht sehen.“ Eigentlich konnte man gar nichts sehen. Das tiefe Dunkel des Himmels, das Grau des Wassers. Die zwei Streifen am Himmel waren auch noch nicht aufgetaucht. Ich legte meinen Arm um ihre Schulter, und sie legte ihren Arm um meine Hüfte. Wir schwiegen.
„Unser Leben sollte sich in Motelzimmern abspielen“, sagte ich.
„Gefällt es dir hier nicht?“
„Es gibt immer mehr Zufälle im Leben, findest Du nicht?“
„Ich weiß nicht. Ich habe zumindest wieder trockene Klamotten.“
„Vielleicht gehen wir nach der Schule alle zur Universität.“
„Das will ich auch bald.“
„Geisteswissenschaften. Philosophie. Sie werden die Naturwissenschaften schlagen. Stell Dir vor, du wärst der einzige Mensch auf der Welt. Allein in einem Motelzimmer. Da helfen dir nur noch Geisteswissenschaften. Keine Naturwissenschaften. Vielleicht sollte ich gar nicht studieren. Vielleict sollte ich in einem Motelzimmer leben.“
„Lass uns zurück zum Auto gehen.“ Sie wandte sich ab und ging zum Auto. Ich folgte ihr. Sie setzte sich auf die Motorhaube und stellte ihre Füße auf die Stoßstange. Ich holte die letzten Vorräte aus dem Auto. Etwas Käse und Brot und eine Flasche Wasser. Ich setzte mich neben sie und reichte es ihr. Ich kaute auf dem Brot. Ich gähnte.
„Bist du müde? Fahren wir noch wohin?“, fragte sie.
„Morgen werden wir einen guten Sonnenaufgang erleben. Ich habe so viel Bier getrunken, dass ich bis zur Rente den Führerschein abgenommen bekäme“, sagte ich.
„Du meinst ...“
„Du wirst von der Sonne geweckt.“
Ich legte die Rücksitzbank im Wagen um, breitete Decken aus und kletterte hinein. Sie kletterte hinterher und legte sich auf die Seite. Ich zog die Heckklappe zu, kurbelte eine Seitenscheibe einen Spalt herunter, breitete eine Decke über Ann und legte mich daneben. Ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf und betrachtete das Autodach. Es war ziemlich ruhig im Auto.
„Gute Nacht, schlaf gut“,
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