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dabei“, sagte Ann, als sie aus dem Auto stieg und sich umsah.
„Ich hatte einen Traum“, sagte ich. „Vor langer Zeit. Alles wird gut, wenn ich mit dem Wagen fort fahre, an einen Strand. Seitdem habe ich Zahnbürsten dabei. Es gab nur Doppelpacks. Zwei Zahnbürsten.“
„Ein Wink des Himmels“, sagte sie und stieg auf den Beifahrersitz.
„So ist es.“ Ich startete den Motor, setzte zurück, wendete und fuhr den Hügel hinunter in Richtung Café. Es war ein schäbiger viereckiger Holzbau, dessen hellblaue Farbe abblätterte und an einigen Stellen mit grün überpinselt war. Die Hütte stand inmitten der Dünen an der Straße, vor dem Eingang entstand eine kleine Sandverwehung und hinten im Hof lagen vertrocknete Zweige. Die Fenster waren mit Fliegengitter vernagelt und über dem Eingang hing ein Blechschild mit der Aufschrift ‚Copacabana’.
Wir stiegen aus, schlenderten hinüber und setzten uns auf die Holzstühle vor dem Eingang. Anscheinend waren wir die einzigen Gäste am frühen Morgen. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es eigentlich war. Ich reichte Ann Seife und Zahnputzzeug und zeigte ihr den Weg zu den Waschgelegenheiten hinter dem Haus. Sie nickte und verschwand.
Ich streckte die Beine aus und ließ mich von der Sonne bescheinen. Der Kellner war ein braungebrannter Surfertyp. „Ihr habt am Strand gepennt, oder? Mann, alle pennen zur Zeit am Strand“, sagte er. „Ich muss immer nur diese Frühschichten machen, um all die Leute zu versorgen, die am Strand pennen.“
Ich bestellte zweimal Frühstück. Er verschwand grummelnd und bis auf das Rauschen des warmen Windes wurde es still. Ann kam frisch und strahlend wieder, die Zähne weiß und die Haare von einem Band zusammengehalten, und in diesem Augenblick sah ich, dass sie noch weitaus hübscher war, als ich es geahnt hatte. Ich nahm das Waschzeug und verschwand auch im Hof und säuberte mich.
„Mit geputzten Zähnen küsst es sich besser“, sagte sie, als ich wieder neben ihr saß.
„Wie geht es weiter?“, fragte ich.
„Lass uns frühstücken.“
„Was haben wir in der Nacht geredet?“
„Ist schon gut“, sagte sie. Sie war jetzt wach. Wenn ich sie gefragt hätte, was sie von mir hält, hätte sie geantwortet: „Oh, du bist ein guter Kerl, Semme.“ Wenn man schon darüber reden wollte oder musste, dann war es vermasselt und man war der gute Kerl.
Der Kellner brachte die Bestellung. Ich trank einen Kaffee, und meine Kopfschmerzen ließen nach. Ann trank Orangensaft, und nachher aßen wir die Brötchen und den Toast und ließen uns weiter von der Sonne bescheinen. Es kamen noch ein paar andere Frühaufsteher vom Strand, doch niemand, den ich kannte.
„Ich glaube, dass ich erst einmal ausschlafen muss“, sagte sie.
Ich fuhr sie nach Hause. Sie wohnte am anderen Ende der Stadt bei ihren Eltern in einem ziemlich großen Einfamilienhaus mit dunkler Klinkerfassade. Ich wusste plötzlich, warum ihr Bruder lieber am Bahnhof in einer eigenen Wohnung wohnte. Bevor sie ausstieg, gab sie mir noch einen Kuss.
„Wann sehen wir uns wieder?“, fragte sie.
„Sobald du willst.“
„Ich rufe dich an.“
Ich gab ihr meine Telefonnummer, wendete, und sah sie im Rückspiegel kleiner werden und ins Haus gehen. Ich fuhr zurück zum See, doch die anderen waren schon fort. Etwas verkohltes Holz lag noch herum. Ich zog mich aus und schwamm eine kleine Runde im See, zog mich wieder an und fuhr nach Hause. Ich duschte, kämmte meine Haare und fuhr in die Stadt zum Fisch.
Jeden Samstagmorgen konnte man für gewöhnlich einige von uns im Fisch treffen, manchmal auch alle, sehr selten auch mal keinen. Das Fisch war früher mal ein Ladenlokal und hatte noch die gleichen großen Schaufenster. Im Prinzip war es einfach ein Ladenlokal mit Stühlen und Tischen und einem Tresen. Jeder konnte hineinsehen und jeder hinaus. Wenn man nicht gesehen werden wollte, konnte man hinter einem Vorhang verschwinden, der in einen ewig dunklen, fensterlosen Raum führte, in dem einige verschlissene Sessel standen.
Onkel Hank saß gut sichtbar am Tresen. Ich setzte mich auf den Hocker neben ihn. Ich bekam ein Bier, ohne es bestellt zu haben und wollte es nicht, denn mein Kopfdruck sagte mir, dass es bitter und schal schmecken würde. Ich nahm einen Schluck, und es schmeckte bitter und schal.
„Bin heute Morgen sofort hierher gefahren. Die anderen kommen nach“, sagte Onkel Hank. Seine Stimme hörte sich an wie ein Reibeisen und überhaupt nicht
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