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flachen Grasnarbe dazwischen. Wahrscheinlich fuhren hier Traktoren und Holztransporter. Links und rechts dehnten sich Wälder aus, durch die sich unser Fahrweg als lange Schneise öffnete. Er stieg leicht bergan, und wir kamen gut voran. Gordon unternahm keinen Versuch, ein Gespräch einzufädeln. Die Sonne stieg höher, und wir machten eine kleine Rast, lehnten die Rucksäcke an einen umgestürzten Baum und zogen die Pullover aus. Wir tranken schwarzen Tee aus einer Thermosflasche. Ich spürte bereits meine Fußballen. „Das Wetter sieht stabil aus. Wir haben Glück für die Jahreszeit“, sagte Gordon und schaute auf die Landkarte.
Ich wusste, dass wir die Hütte keinesfalls vor Einbruch der Dunkelheit erreichen würden. Wir marschierten weiter den Weg entlang. Ich spürte, dass Gordon seine Schritte fast unmerklich beschleunigte.
„Du gehst schneller“, sagte ich.
„Ich gehe nach einiger Zeit immer schneller“, antwortete er. Er verlangsamte sein Tempo, bald darauf beschleunigte er wieder. Ich hielt sein Tempo eine Zeit mit, dann ließ ich mich zurückfallen und sah ihn davon eilen. Schließlich hielt er an.
„Ich bin wieder schneller gegangen“, sagte er.
„Wir müssen durch eine Engstelle“, sagte ich. „Danach biegen wir von diesem Weg hier ab. Das wird in einigen Stunden sein.“
Ab und zu wucherten jetzt Büsche in den Weg hinein und verengten ihn. Der Himmel spannte sich in einem makellosen Dunkelblau über uns. Wir hörten nur das regelmäßige Knarzen der Rucksäcke, manchmal einen Vogelschrei. Die Sonne überschritt ihre höchste Stelle. Die Engstelle erschien nicht. Der Weg führte ewig weiter durch Wälder, mal leicht bergab, dann wieder leicht bergan, mal in einer leichten Linkskurve, dann in einer leichten Rechtskurve. Das wussten wir auch von der Karte. Wir hatten vorher gewusst, dass der erste Tag eintönig werden würde. Eine Lichtung erschien, wo vor einigen Jahren wahrscheinlich ein Holzeinschlag gewesen war. „Sollen wir etwas essen?“, fragte ich. Gordon blieb stehen. Ich blieb neben ihm stehen.
„Ist es noch weit bis zu dieser Abzweigung?“, fragte er.
„Wir sind noch nicht an der Engstelle gewesen.“
„Vielleicht haben wir sie verpasst.“
„Wir haben sie nicht verpasst.“
Wir traten auf die Lichtung und stellten unsere Rucksäcke an einen Baumstumpf. Ich öffnete die Schnürsenkel meiner Schuhe und bewegte die Zehen. Wir holten unsere Brote aus dem Rucksack und spülten sie mit Tee hinunter. Gordon faltete wieder die Karte auseinander. Ich zog mir die Schuhe ganz aus.
„Die Engstelle hätte längst da sein müssen“, sagte er.
„Sie war aber noch nicht da.“
Er starrte weiter auf die Karte. „Wir hätten eine genauere Karte mitnehmen sollen“, sagte er dann. „Nicht die erstbeste aus dem Supermarkt.“
„Zeig mal die Karte“, sagte ich und schaute darauf. „Die Engstelle kommt noch“, stellte ich fest und gab ihm die Karte zurück.
„Hier ist alles voller Ameisen“, sagte er und klopfte einige Tiere von seiner Kleidung. Ich zog meine Schuhe wieder an. Gordon hatte seinen Rucksack bereits geschultert, stand auf dem Weg und schaute in die Richtung, die wir einschlagen mussten.
„Wir wussten, dass der erste Tag eintönig würde“, sagte er. Wir wanderten weiter. Der Schmerz in den Schultern ließ nach einigen hundert Metern nach. Wieder wanderten wir schweigend nebeneinander her. Bald ging es nur noch bergauf, und wir schwitzten unter den schweren Rucksäcken. Wir erreichten eine Kuppe, drehten uns um und sahen eine endlose Fläche dichten Waldes, so weit der Blick reichte.
„Kein Mensch außer uns ist hier weit und breit“, stellte Gordon fest. Wir wanderten weiter in die Berge hinein und Gordon wurde wieder schneller. Irgendwann wartete er auf mich. „Hier. Schau mal“, sagte er, als ich bei ihm ankam. Er deutete auf einen sehr schmalen Pfad, der rechts zwischen den Bäumen verschwand. Er war so schmal, dass die Bäume über ihm zusammenwuchsen.
„Das ist ein Wildwechsel“, sagte ich.
„Oder unsere Abzweigung“, sagte Gordon.
„Wo war die Engstelle? Wir sind seit der Kuppe vielleicht eine Stunde gelaufen.“
„Vielleicht haben wir sie nicht bemerkt. Vielleicht gibt es sie gar nicht mehr.“
„Der abzweigende Weg müsste breiter sein.“
„Woher weißt du das?“
„Das hier ist ein Wildwechsel.“
„Auf der Karte ist nur ein Pfad vermerkt. Was ist ein Pfad? Das hier ist unser Pfad.“ Er ging einige Meter in das Dickicht
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