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nicht sicher, ob ich es Dir überhaupt sagen soll.“
„Du sagst es mir und jeder könnte seine eigene Richtung weitergehen.“
„Wir bleiben erst mal hier. In dieser Hütte.“
„Wir haben nicht genug Proviant für Späße“, sagte ich. Ein Tag, um wie geplant weiter bis zum Wasserfall zu kommen, ein Tag zurück, zwei Tage bis zur Farm. Das waren noch vier Tage. Das Holz knackte im Ofen.
„Du hast Angst“, sagte ich. „Angst vor der Wildnis. Angst vor mir. Angst vor dem, was du sagst.“
„Wir haben hier ein Dach über dem Kopf.“
„Ich fahre nicht um die halbe Welt und gehe zwei Tagesetappen durch den Wald, bloß um herauszufinden, dass jemand Angst hat. Angst ist kein Hindernis für mich. Ich bringe es bis zu einem Ende. Ich erfahre es heute Abend, oder wir sind quitt. Ich ziehe es sonst anders durch.“
„Wir sollten zusammenbleiben. Das war der Sinn der ganzen Sache“, sagte er.
„Heute Abend, oder ich fahre nächste Woche einfach nach Utah und höre mich dort um. Überleg es dir.“
Keiner sagte etwas. Es war entschieden, das spürte ich, und im Grunde waren wir beide zufrieden damit. Das Feuer brannte herunter und wir schliefen ein. Nachts wachte ich wieder auf. Ich stand auf, trat vor die Tür der Hütte und schaute eine Weile in die tiefe Finsternis der Berge.
Ich brach am nächsten Morgen früh auf. Ich drehte mich ein letztes Mal um. Gordon stand vor der Hütte und winkte kurz. Ich folgte dem Weg in die entgegengesetzte Richtung, aus der wir gekommen waren. Er stieg erst sachte, dann steiler an. Ich begann zu schwitzen. Die Hütte verschwand aus dem Blickfeld. Zwischen Felsen hindurch stieg ich dem Rand des Talkessels entgegen. Oben angekommen blieb ich stehen. Die Hütte war noch zu erkennen, doch Gordon ließ sich nicht blicken.
Der Weg führte über eine steinige Hochwiese. Ein leichter Wind ließ mich in meinem durchschwitzten Hemd frösteln, und ich wechselte das Hemd, trank etwas und aß ein Stück Käse. Der Weg führte mich über mehrere Stunden an einem Bach entlang, durchquerte kleine Wäldchen und folgte dem Verlauf eines Hochtals. Am Nachmittag erreichte ich den Wasserfall. Das Wasser stürzte über eine Felskante in die Tiefe, zerstäubte sich in der Luft und regnete in Kaskaden auf die Felsen. Auf der Wiese stand ein Schild: ‚Horse Falls’.
Am Rand des Wasserfalls führte ein steiler Pfad in engen Serpentinen bergauf. Die Steine waren schlüpfrig und manchmal musste ich mich mit den Händen festhalten. Die Sonne schien mir auf den Nacken und zerstäubte Wassertropfen wehten zu mir herüber. Heftig atmend erreichte ich die Stelle, wo der Wasserfall nach unten stürzte. Ein dichter Grasteppich bedeckte oberhalb des Wasserfalls den Boden und vom Wind gebeugte Nadelbäume hielten sich einzeln oder in kleinen Gruppen. Der Bach schlängelte sich durch die Wiese und ich wanderte weiter bis zur ersten Baumgruppe. Kein Mensch oder Tier war zu sehen oder zu hören.
Ich warf meinen Rucksack ab, streckte mich und setzte mich dann neben den Rucksack in den Schatten der Bäume. Ich schnürte meine Armeestiefel auf, zerrte die Wollsocken von den Füßen und legte mich zurück, wackelte mit den Zehen an der frischen Luft.
Als die Sonne hinter den Bergen verschwand, spannte ich die Zeltplane zwischen zwei Bäume. Die unteren Enden pflockte ich mit zwei Ästen in dem weichen Humus fest. Unter der Plane rollte ich meinen Schlafsack aus. Ich kramte mein Tagebuch aus dem Rucksack und schrieb die Ergebnisse der letzten Tage auf. Es waren nicht viele.
Barfuß ging ich zum Bach, schöpfte mit beiden Händen das eiskalte Wasser und spülte mir den Schweiß und den Staub vom Gesicht. Ich hatte mir einen leichten Sonnenbrand geholt. Außerdem war mir ein Drei-Tage-Bart gewachsen. Ich spülte meine Arme ab und tauchte die Füße ins Wasser. Zum Schluss trank ich noch, so viel ich konnte.
Einzelne Wolken schoben sich über die Bergspitzen. Möglicherweise würde das Wetter umschlagen und der erste Wintereinbruch kommen. Ich setzte mich auf meinen Schlafsack und kaute auf hartem Brot, aß dazu ein weiteres Stück Käse und Schokolade. Ich sah zum Himmel auf. Die Wolken drängten sich an einigen Stellen bereits übereinander. Ich nahm einen großen Schluck Rum, zog meinen Pullover über und kroch in den Schlafsack. Es wurde rasch vollkommen dunkel. Der Wasserfall schien in der Dunkelheit intensiver zu brausen, die Bäume um mich herum lauter zu knarren.
Ich wachte auf, als Regentropfen
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