1811 - Der Vogelmensch
ab.
Genau das tat auch Carlotta, bevor sie ihre Flügel bewegte und Kurs auf die Heimat nahm, wobei sie sich fragte, was und wer sie dort wohl erwarten würde …
***
Es war alles geregelt. Es war so gekommen, wie man es sich nicht hätte vorstellen können. Zumindest nicht Maxine Wells.
Und doch war es eingetreten. Es gab eine Mutation, die sich bei Maxine einnisten wollte. Das stand fest, doch sie konnte es noch immer nicht begreifen. Sie wusste auch nicht genau, wie das ablaufen würde. Ein zweites Zimmer konnte schon bereitgestellt werden, aber dieses Vogelmonster für die Zukunft um sich zu wissen, das wollte ihr nicht in den Sinn. Und das sagte sie mir auch immer wieder.
»So läuft das nicht, so kann das nicht laufen, John.«
»Da gebe ich dir recht.«
»Super. Und was nun?«
Ich winkte mit beiden Händen ab. Wir saßen wieder in der Küche und schauten durch das Fenster. Der Vogelmensch würde sicherlich über die gleiche Strecke kommen.
»Bitte, beruhige dich. Lass doch erst mal Carlotta zurück sein. Dann sehen wir weiter. Wenn er sie nicht mehr als Trumpf hat, können wir etwas unternehmen.«
»Ja, wenn …«
»Glaubst du nicht daran?«
»Wenn der sich hier einnistet, ist er immer bei ihr. Immer in ihrer Nähe, er würde sie immer als Druckmittel gegen mich verwenden und …«
»Nein!«
Mein hartes Wort hatte sie unterbrochen. »Was sagst du? Nein?«
»Ja.«
»Und wieso?«
»Weil das alles nicht so laufen wird. Dieser Vogelmensch wird froh sein, einen Unterschlupf gefunden zu haben und wird sich entsprechend verhalten. Er kann nicht jede Sekunde auf Carlotta achten. Er wird sich etwas anderes einfallen lassen müssen. Sein Wohnen hier ist nur ein Übergang.«
»Meinst du?«
»Und ob ich das meine.«
»Wir werden sehen.«
Ich hob den rechten Zeigefinger. »Du sagst sehen. Ich werde dafür sorgen, dass er mich vorerst nicht sieht. Ich verspreche dir aber, dass ich zur richtigen Zeit auftauchen werde.«
Uns blieb nichts anderes übrig, als zu warten und darauf zu hoffen, dass etwas passierte. Hoffentlich blieb der Vogelmensch bei seinem Vorsatz, sich hier zu verstecken, denn dann würde er auch Carlotta mitbringen.
Maxine hatte ihre Praxis geschlossen. Sie gab eine Krankheit vor, und so hatte sie ihre Ruhe. Wer anrief, dem machte die Stimme des Anrufbeantworters klar, dass die Praxis nicht geöffnet war.
Der Kaffee schmeckte ebenfalls noch, und so ließ sich das Warten aushalten. Hin und wieder warf ich Maxine einen Blick zu, wenn sie es nicht merkte. Dann sah ich schon das Gefühl der Sorge in ihren Augen.
Die Tierärztin war eine interessante Frau, die allein lebte. Abgesehen von Carlotta. Ich kannte sie schon länger, denn ich war schon öfter hier gewesen.
Wir waren uns dabei auch näher gekommen und ich hatte schon mit ihr geschlafen. Meine Güte, das war eben menschlich gewesen. Außerdem waren wir uns sympathisch.
Im Moment dachte keiner von uns daran. Wir wollten nur, dass sich die Dinge wieder richteten.
»Und wenn sie kommen, John, bleibt es dann dabei, dass du dich versteckst?«
»Ja, ich halte mich zurück.«
»Willst du ihn vernichten?«
Ich verzog die Mundwinkel. »Möchtest du das denn?«
»Ja.« Sie schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ich möchte, dass er vernichtet wird, ich habe gesehen, dass er brutal vorgeht und dies auch immer wieder tun wird, deshalb ist es am besten, wenn er nicht mehr lebt.« Sie fügte noch eine Erklärung hinzu, als wollte sie ihr Gewissen beruhigen. »Er ist kein Mensch. Er hat keine Seele, er ist ein künstliches Geschöpf.«
Da mochte sie recht haben. Ich stellte trotzdem die Frage. »Und wie siehst du Carlotta, die ja aus dem gleichen Experiment stammt wie er?«
Sie sagte nichts. Nach einer Weile senkte sie den Kopf. Dabei schüttelte sie ihn und sagte: »Nein, ich denke da anders. Und das sehe ich auch anders. Carlotta ist eine Ausnahme. Mehr sage ich nicht dazu.«
Wir schwiegen wieder. Ich konnte meine Gedanken nicht von Carlotta lösen. Ich hatte sie auch ins Herz geschlossen, und sie mit diesem Vogelmenschen zu vergleichen war wirklich weit hergeholt.
Aber ich hatte auch Angst um sie. Ich wusste nicht, ob dieser Randy Scott sie so behandelte, wie sie es verdient hatte. Ich hoffte, dass er ihr nichts tat, denn verhindern konnten wir es nicht. Und das war die momentane Tragik.
Immer wieder glitt unser Blick durch das Fenster nach draußen. Aber dort tat sich nichts.
Die Zeit wurde lang.
Ich stand auf, weil ich mich
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