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1813: Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt (German Edition)

1813: Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt (German Edition)

Titel: 1813: Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Platthaus
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Augustusplatz stößt, wurde nahezu widerstandslos eingenommen, und über die damals schon breite Straße ging es dann unter ständigem ungezieltem Schießen, mit dem etwaige feindliche Kräfte demoralisiert werden sollten, zum Marktplatz, wo Friedrich August im Torbogen vor dem Thomäschen Haus auf die Sieger wartete und ignoriert wurde, weil Zar Alexander und König Friedrich Wilhelm erst einmal durch die Hainstraße zum Inneren Ranstädter Tor ans andere Ende Leipzigs kommen wollten, in dessen Nähe die letzten heftigen Kämpfe der Völkerschlacht tobten.
    Hauptsächlich spielten sich diese Gefechte in den zur Barockzeit von Leipziger Handelsherren angelegten Gärten ab, die sich westlich der Stadt unmittelbar an die Promenaden anschlossen. Von denen findet sich nichts mehr; auf der anderen Seite des Martin-Luther-Rings folgt ein dichtes Straßennetz, in dem nur noch der Name der Gaststätte «Apels Garten» die Erinnerung an einen der früher berühmten Parks bewahrt. Parallel zur Ringstraße ist mittlerweile ein Teil des Pleiße-Mühlgrabens wieder freigelegt worden, der wie der Elstermühlgraben nach dem Zweiten Weltkrieg überwölbt worden war, als die Verschmutzung des Gewässers durch den Braunkohleabbau im Süden der Stadt zu stark wurde, als dass man den Bürgern diesen Anblick noch zumuten wollte. Dadurch ist immerhin zumindest eine Andeutung jener Vielzahl von Wasserläufen erhalten, die westlich von Leipzig den Abzug des napoleonischen Heers erschwerten, gleichzeitig aber auch dessen Verfolgung durch die Alliierten unmöglich machten, solange die am Vormittag gesprengte Elsterbrücke nicht repariert war.
    An der Thomaskirche vorbei, die 1813 voller Verwundeter war, gehe ich zurück auf den Markt. Es ist vier Uhr, und hier endet nach vier Tagen der Schlachtenbummel. Vor hundertneunundneunzig Jahren begann zu dieser Stunde (also um drei Uhr mitteleuropäischer Zeit) die Siegesparade vor dem Rathaus, das heute noch fast genauso aussieht wie während der Völkerschlacht. Es läuteten die Glocken von Nikolai-, Thomas-, Peters-, Pauliner- und Neuer Kirche, von denen nur die ersten beiden heute noch stehen. Das war ein Dank an den «Gott, der Eisen wachsen ließ», wie Ernst Moritz Arndt ihn 1812 in seinem «Vaterlandslied» bedichtet hatte. Die Sieger der Völkerschlacht glaubten Gott an ihrer Seite; sie waren Traditionalisten, auch im Religiösen. Moderner war Napoleon, der zwar auch gern höhere Mächte beschwor, aber um die Wankelmütigkeit der Gunst des Schicksals wusste. Als Herzog Carl August von Weimar-Eisenach ihn im April 1813 in Eckartsberga getroffen hatte, war der Kaiser von dem deutschen Fürsten auf dessen gerühmte unverwüstliche Gesundheit angesprochen worden. Carl August notierte über Napoleons Reaktion: «Er wurde sehr Ernst, schwieg ein paar Augenblicke, u. sagte Endl. ‹il est certain qu’il y a beaucoup de materiel dans notre etre, mais enfin – il faut croire a quelque chose: pour moi, je crois a mon etoile›, u. wies mit dem Finger in die Höhe, ‹qui luit au dessus de moi.›» (Natürlich ist viel Materielles in unserer Existenz, aber man muss auch an etwas glauben: Ich glaube an meinen Stern, der über mir leuchtet.) Dann trennten sich Kaiser und Herzog: «Beym Abschiede sagte ich ihm die gewöhnl. Compl. u. das ich wünschte ihn balde, recht gesund u. recht zufrieden wieder zu sehn. Da hob Er wieder den finger in die Höhe u. sagte sehr Ernst: ‹cela depent de la haut!›» [460] (Das hängt von da oben ab.) Napoleons Stern war am 19. Oktober 1813 gesunken. In Leipzig bricht hundertneunundneunzig Jahre später gegen sechs Uhr die Abenddämmerung an.

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    Literatur
    Ferdi Akaltin: «Die Befreiungskriege im Geschichtsbild der Deutschen im 19. Jahrhundert», Frankfurt am Main 1997.
    «Aktenstücke für die Deutschen, oder Sammlung aller offiziellen Bekanntmachungen in dem Kriege von 1813». Erstes bis viertes Heft, Dresden 1813.
    Willy Andreas: «Das Zeitalter Napoleons und die Erhebung der Völker», Heidelberg 1955.
    Ders.: «Herzog Carl August und Napoleon». Leipzig 1942.
    Theodor Apel: «Tabellarische Zusammenstellung der Kriegsereignisse bei Leipzig im October 1813», Leipzig 1866.
    Gottfried Wilhelm Becker: «Leipzigs Schreckensszenen im September und Oktober 1813, Leipzig 1813.
    «Die Befreiung 1813, 1814, 1815». Urkunden, Berichte, Briefe mit geschichtlichen Verbindungen von Tim Klein, Ebenhausen 1913.
    Flodoard Freiherr von Biedermann: «Goethes

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