1823 - Totenland
Sagen hatte, zu finden war. Aber es gab das Lokal. Dessen Tür war geschlossen.
Als wir sie öffneten, da drang uns ein Schwall schlechter Luft entgegen. Er setzte sich aus Zigarrenrauch und der muffigen Luft zusammen, die nach alten Klamotten stank.
Da die Fenster sehr klein waren, hatte der Wirt das Deckenlicht eingeschaltet.
Hier war alles anders.
Wir hörten keine Musik, dafür leise Stimmen. Und wir sahen, dass die Gäste nicht an den Tischen saßen. Sie standen und schauten in die Mitte des Raumes, in dem eine männliche Gestalt stand und mit beiden Händen einen blutigen Fleischbrocken festhielt, in den er hineinbiss. Der Saft lief ihm am Kinn entlang, während er fraß und schmatzte.
Wir sahen in sein Gesicht, denn er stand günstig zur Tür. So schauten wir ihn an, und wir blickten auch in seine Augen. Dieser leere Blick sagte genug.
Karina fragte mich. »Weißt du, wer das ist?«
»Ja«, murmelte ich, »das ist unser erster lebender Toter …«
***
Ein Zombie also!
Wir waren ja auch ihretwegen gekommen. Dass wir jetzt einen von ihnen sahen, darüber wunderten wir uns nicht besonders, aber dieses Bild war schon erschreckend. Da stand die Gestalt vor der Theke und fraß das blutige Fleisch. Ja, es war schon ein Fressen, dem ein halbes Dutzend Gäste zuschauten.
Was sollten sie auch machen?
Sie waren überrascht und angeekelt zugleich, jetzt aber waren wir da, und nun gab es zwei Neue, auf die sie ihr Augenmerk richten konnten.
Einer von ihnen hob den rechten Arm und deutete auf uns. Dabei rief er etwas.
Karina hörte gespannt zu und winkte dann mit beiden Händen ab.
»Was wollte er?«, fragte ich.
»Er und die anderen Leute hier denken, dass sich der Teufel mal wieder auf die Erde begeben hat und einen seiner Helfer schickte. Ich denke, dass sie Bescheid wissen.«
»Worüber?«
»Dass diese Person nicht mehr normal lebt.«
Der Mann rief wieder etwas und schüttelte dabei den Kopf.
Karina rief die Antwort zurück. Ich verstand etwas. Sie riet den Leuten, sich zu beruhigen. Wir würden den Rest übernehmen.
»Und was hat er genau gewollt?«, flüsterte ich.
»Er hat gesagt, dass dieser Kerl das Lokal betreten hat und das Fleischstück in der Hand hielt.«
»Menschenfleisch?«
»Nein, John, vom Tier. Aber das reicht. Ich schätze, dass es erst der Anfang gewesen ist. Der macht weiter, und das mit Menschen. Wir müssen ihn aus dem Verkehr ziehen.«
»Das denke ich auch.«
Etwas klatschte, als es auf den Boden fiel. Es war das Stück Fleisch, das der Zombie bisher zwischen seinen Fingern gehalten hatte. Jetzt lag es am Boden wie ein alter Fußabtreter.
Karina flüsterte mir zu: »Ich muss ihn zum Reden bringen, John. Ich muss wissen, woher er kommt und wohin er will. Was er vorhat, und so weiter.«
»Aber was werden die anderen dazu sagen?«
»Du musst dich um sie kümmern.«
»Ich? Wie das denn? Das schaffe ich nicht. Ich kann eure Sprache nur in Fragmenten verstehen. Ehrlich gesagt, das ist nicht gut, was du da vorgeschlagen hast.«
»Doch, es ist gut.«
Karina hatte so intensiv gesprochen, dass ich mich zurückhielt. Sie wandte sich an die Gäste. Und sie redete schnell und auch laut auf sie ein.
Meine Beretta hatte ich noch nicht gezogen. Ich behielt nur den Zombie im Auge. Er tat im Moment nichts. Das heißt, er hielt den Kopf gesenkt und starrte seine am Boden liegende Nahrung an. Wahrscheinlich überlegte er, ob er noch mal einen Nachschlag nehmen sollte oder nicht. Erst mal hatte er genug, und dann wurde ich aufmerksam, als sich die Gäste bewegten. Sie gingen tatsächlich zurück, und zwar in meine Richtung. Karina hätte sie auch hinausschicken können, was sie aber nicht wollte. Die Leute sollten genau sehen, wozu ein Zombie fähig war.
Er sah, dass sie sich aus seiner Reichweite entfernten. Das gefiel ihm nicht, und plötzlich löste sich aus seinem Mund ein krächzender Schrei. Er schien zu merken, dass er nicht mehr die Hauptperson war, und das wollte er ändern. Ein langer Schritt sollte ihn in meine Richtung bringen, doch dagegen hatte Karina Grischin etwas.
Plötzlich stand sie vor ihm. Sie sprach ihn an. Wie gesagt, ich verstand einige Brocken russisch, und jetzt begriff ich, was sie ihm zurief.
»Du bleibst hier!«
Er zeigte sich irritiert.
Sie fragte weiter. »Woher kommst du?«
Er schüttelte den Kopf.
Bisher wusste keiner von uns, ob er die Frau verstanden hatte oder nicht. Er bewegte nur den Kopf, und dann hörte er, wie die Frau ihre Frage
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