1823 - Totenland
mussten nicht durch irgendwelche hohen Pfützen platschen oder durch kleine Seen waten. Karina und ich merkten, dass sich die Beschaffenheit des Bodens änderte. Der Untergrund wurde fester, man konnte sich sogar auf ihm abstützen.
»Gleich sind wir raus«, raunte mir Karina zu.
»Das denke ich auch.«
»Und dann geht es weiter.«
»Fußmarsch?«
»Glaube ich nicht, John. Wenn die was machen, dann machen die es richtig.«
»Also eine Falle.«
»Zumindest werden sie einen Versuch starten.«
»Damit rechne ich auch.«
Unsere Sicht besserte sich. Die Bäume traten in den Hintergrund. Es gab mehr Flachland, mehr Wiesen, und wir sahen an der linken Seite auch Häuser. Das musste ein Teil von Ostrow sein.
Und es gab wieder einen Weg. Mehr ein Trampelpfad, aber es war doch zu sehen, dass hier Menschen gegangen waren und nicht nur wenige, sonst hätte der Pfad nicht entstehen können.
Wir hatten bereits eine schöne Strecke hinter uns und ich war gespannt, wo dieser Marsch endete.
»Langsam werde ich sauer«, flüsterte Karina mir zu. »Ich fühle mich wirklich verarscht.«
»Wieso?«
»Dass sie nichts sagt. Dass sie nicht erzählt, wo wir hingehen.«
»Ja, das ist schon seltsam.«
»Und das lasse ich mir nicht gefallen.« Wenn Karina sich mal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann führte sie es auch konsequent durch. Das wurde mir jetzt wieder klar, denn Karina zögerte keine Sekunde. Sie huschte auf die Nackte zu und baute sich vor ihr auf. Mit der Waffe zielte sie auf ihren Kopf.
»Also«, flüsterte sie scharf. »Ich will jetzt endlich wissen, wohin wir gehen. Ist das klar?«
Die Nackte schaute sie nur an.
»Hast du mich verstanden?«
Ein Zucken des Körpers war die Antwort.
Damit konnten wir beide nichts anfangen, aber Karina gab nicht auf. Sie packte den Zombie an der Kehle und schüttelte ihn durch. Dabei schrie sie ihm ihre Fragen ins Gesicht, denn sie wollte wissen, wohin wir gingen.
Sie gab eine Antwort, aber damit konnten wir nichts anfangen. Es war mehr ein Gebrabbel und so gut wie nicht zu verstehen.
Karina wollte ihr ins Gesicht schlagen, so aufgebracht war sie, aber ich hatte etwas dagegen und hielt ihren Arm fest.
»Lass es, Karina, es hat keinen Sinn.«
»Wieso?«
»Sie wird nichts sagen, weil sie es nicht kann. Man hat ihr eine Botschaft mitgegeben, das war alles.«
»Da bin ich mal gespannt, wer sie geschrieben hat.«
»Das bekommen wir bestimmt heraus.« Ich ließ ihren Arm los. »Wir müssen nur etwas Geduld haben.«
»Daran fehlt es mir.«
»Kann ich mir denken, doch in diesem Fall bleibt uns nichts anderes übrig.«
»Leider.«
»Dann warte ab und lass uns wieder gehen.«
Die Nackte hatte den Kopf gesenkt gehabt, als wir sprachen. Jetzt hob sie ihn wieder an. Ihr fragender Blick traf mich und ich senkte nickend den Kopf, um zu zeigen, dass ich mit den nächsten Geschehnissen einverstanden war.
Und so gingen wir weiter. Unsere Schuhe verschwanden im hohen Gras. Es roch auch besser. Die Luft war frischer, es wehte ein mittelstarker Wind und auch der Himmel klarte auf, denn allmählich verschwanden die Wolken.
Die Nackte ging noch einige Schritte, aber man sah ihr an, dass der größte Teil der Strecke hinter ihr lag, denn sie bewegte beim Gehen immer wieder den Kopf in verschiedene Richtungen, als wollte sie herausfinden, ob es da etwas gab.
Es war nichts zu sehen. Nicht für uns und auch nicht für die Nackte. Die Landschaft blieb so, wie sie war. Sehr flach, sehr grün und gut zu überblicken.
»Wann hält sie an, John?«
»Keine Ahnung.«
»Das gefällt mir nicht.«
»Wieso?«
»Ich habe ein komisches Gefühl.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Nach einer Falle sieht es mir nicht aus.«
»Aber ich frage mich, John, warum sie ausgerechnet hier angehalten hat.«
»Ich werde mich mal umschauen«, sagte ich.
»Okay, das ist gut.«
Ich ging einfach mal vor und richtete meinen Blick auf den Boden. Das tat ich aus einem Gefühl heraus, denn irgendwo musste ja was zu sehen oder zu finden sein.
Gras. Manchmal, wenn der Wind es erfasste, wurden die Halme gekämmt. Dann hatte ich den Eindruck, dass sich die vor mir liegende Fläche verändern würde.
Das tat sie auch.
Und ich sah etwas.
Ich sah die Streifen auf dem Boden. Das Gras war an einigen Stellen flach getreten worden, und zwar auf eine weite Strecke hin. Da sah ich die Streifen am Boden, die sich in das Gelände hineinzogen, als hätte ein Fahrzeug diese Abdrücke hinterlassen.
Ich stieß die Luft aus.
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