1826 - Das Nebelheer
bringen.
»Ich schaue mich mal um«, sagte sie.
»Wo denn?«
»Hier am Haus.«
»Sie wollen mich allein lassen?« Seine Stimme klirrte ein wenig. Ein Zeichen, dass er Angst hatte.
Jane hatte tatsächlich vorgehabt, ihn allein zu lassen, doch als sie seine Furcht sah, änderte sie ihren Plan und winkte ab. »Keine Sorge, ich bleibe hier im Raum.«
»Sehr gut.«
Jane würde das zwar tun, aber sie wollte sich auf eine andere Art und Weise einen Überblick verschaffen. Sie ging zu einem der beiden Fenster und wollte es öffnen.
Es war nicht so einfach. Da gab es noch die alten Griffe, die sich so leicht nicht bewegen ließen. Jane musste schon Kraft einsetzen, um das Fenster zu öffnen, was auch nicht so leicht war, denn es klemmte. Jane zog zweimal, dann hatte sie es offen, und die kühle Abendluft strömte ihr entgegen.
»Und? Sehen Sie was?«
Jane verdrehte die Augen. »Ich habe noch gar nicht richtig geschaut.«
»Ist auch nicht wichtig.«
»Ich gebe Ihnen schon rechtzeitig Bescheid, wenn etwas geschieht, Marian.«
»Ja, ich warte.«
Soll er, dachte sie und beugte sich vor. So konnte sie besser nach draußen schauen, und das nicht nur geradeaus, sondern auch nach links und nach rechts. Sie glaubte, dass sie John Sinclair irgendwo entdecken würde, aber da hatte sie sich getäuscht.
Seinen Wagen sah sie nicht, ihn selbst auch nicht. Das irritierte sie für einen Moment, denn damit hatte sie nicht gerechnet.
Was kann ich tun?
Die Frage stellte sich Jane und kam zu dem Schluss, dass sie gar nichts tun konnte.
»Was gibt es denn da zu sehen?«
»Nichts, was uns beunruhigen könnte.«
»Dann ist es gut.«
»Das meine ich auch.«
Der Satz war von Jane nur einfach so dahin gesagt worden, die Realität sah anders aus. Sie hatte schon etwas gesehen, was möglicherweise bei Tageslicht nicht so der Fall gewesen wäre. In der Dunkelheit schon, denn da leuchtete alles, was heller war in der Dunkelheit, auch wenn es sich um ein blaues Licht handelte.
Das irritierte Jane. Sie wusste nicht, woher das blaue Licht kam. Eine Quelle konnte sie nicht entdecken, aber sie ging sofort davon aus, dass es sich um die Reiter handelte oder direkt mit ihnen zu tun hatte.
Wo steckte John Sinclair? Er musste mit seinem Wagen losgefahren sein. Sein Ziel kannte sie nicht, da konnte sie nur raten, und es kam ihr eigentlich nur das Licht in den Sinn.
Sie überlegte, ob sie es auch versuchen sollte. In den Wagen steigen und zur blauen Quelle zu fahren, aber davon nahm sie Abstand. Sie wollte Drake nicht allein lassen.
Ohne das Fenster zu schließen, drehte sie sich um. Jetzt trafen sich wieder ihre Blicke.
»Was war denn?«, rief Drake.
»Nichts.«
»Das glaube ich Ihnen nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil sie viel zu lange aus dem Fenster geschaut haben. Da müssen Sie was gesehen haben.«
»Das habe ich auch.«
»Und was?«
»Dass John Sinclair und sein Wagen nicht mehr da sind. Das habe ich gesehen.«
»Sonst nichts?«
»Doch.«
»Was denn? Lassen Sie sich nicht jede Antwort aus der Nase ziehen, verdammt.«
»Keine Sorge. Es geht um ein blaues Licht, das ich noch entdeckt habe.«
»Ach? Und wo?«
Jane ging zwei Schritte vom Fenster weg. »Wenn Sie durchs Fenster schauen, dann sehen Sie es auch.«
»Ach, in Richtung Wald?«
»Das meine ich.«
Marian Drake sagte nichts. Er saß still in seinem Sessel und schien in sich hinein zu horchen. Doch das war eine Täuschung, denn er dachte nur über seine Antwort nach.
Die fing mit einer Frage an. »Weit war es nicht weg – oder?«
»Das kann man so sagen.«
»Hm, dann weiß ich Bescheid.«
Jetzt war Jane überrascht. »Wieso wissen Sie Bescheid?«
»Ich weiß, was dort ist.«
»Gut. Und was?«
Drake schnappte nach Luft und schnaufte dabei. Und er schien sich um eine Antwort herumdrücken zu wollen. Seine Hände bewegten sich hektisch.
Jane wurde ungeduldig. »Was ist denn nun?«
»Ich weiß Bescheid, wo Sie das Licht gesehen haben. Ja, das weiß ich.«
»Gut. Und wo ist es?«
»Im Wald …«
»Das weiß ich selbst.«
»Aber Sie wissen nicht, was sich dort verbirgt, Jane Collins.«
»Das weiß ich wirklich nicht.«
Marian Drake beugte sich leicht nach vorn, ehe er eine Antwort gab. »Es ist ein Friedhof …«
***
Damit hatte Jane Collins nicht gerechnet. Sie stand da, schluckte und bewegte ihre Lippen. Und sie glaubte nicht, dass sie sich verhört hatte. Das Wort war gefallen, und so musste es im Wald einen Friedhof geben, was nicht unbedingt neu
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